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Corona-Proteste

Linda Teuteberg: „Freiheit und Verantwortung gehören zusammen”

FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg über die Anliegen, die Nöte und die Vorwürfe der Corona-Demonstranten – und über den Umgang mit Fake News im Internet

Über die Versammlungsfreiheit

Frau Teuteberg, bei einigen Corona-Demos hagelt es  oft wüste Kritik. Viele  Demons­tranten dort sind der Meinung, unsere Demokratie sei durch die Anti-Corona-Maßnahmen in Gefahr oder wir lebten gar in einer „Corona-Diktatur“. Was halten Sie davon?Wer heute von Diktatur redet, sollte die Kirche im Dorf lassen. Doch der freiheitliche Rechtsstaat muss auch das Dorf in die Kirche lassen, wenn z.B. mit Abstand und Hygiene mildere Mittel zur Verfügung stehen als Gottesdienstverbote. Erklärungsbedürftig ist in unserem freiheitlichen Rechtsstaat die Einschränkung von Grundrechten und nicht deren Ausübung. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Freiheitseinschränkungen ist daher immer verhältnismäßig. Die Versammlungsfreiheit gilt, doch entbindet sie nicht von der Verantwortung, die Abstandsregeln einzuhalten, um sich und andere zu schützen. Gleichzeitig sind Politik und Behörden gefordert, sicherzustellen, dass trotz Corona die Freiheit der Bürger nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich eingeschränkt wird. Deshalb ist es geboten, dass Grundrechtseingriffe regelmäßig überprüft und bei veränderter Lage auch wieder zurückgenommen werden. Das ist eine Stärke von Rechtsstaat und Demokratie: lernfähig zu sein. Die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen unabhängiger Gerichte über verschiedene Corona-Maßnahmen zeigen doch, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem es gegen staatliche Maßnahmen Rechtsschutzmöglichkeiten gibt.

Über verfassungsfeindliche Bestrebungen auf den Demos

Es geht ja nicht nur darum, dass sich Demonstranten über Hygieneregeln hinwegsetzen, sondern auch darum, dass dort Hass- und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Darf man gemeinsam mit Rechtsradikalen, Reichsbürgern und sonstigen Wirrköpfen auf die Straße gehen?  

Bei den Corona-Demonstrationen gibt es sowohl Menschen mit berechtigten Anliegen als auch solche, die von absurdesten Verschwörungserzählungen und verfassungsfeindlichen Einstellungen angetrieben werden. Abstand zu halten ist für alle vernünftigen Menschen auch hier das Gebot, physisch und inhaltlich. Das Demonstrationsrecht ist kein Freibrief für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Die Corona-Regeln gelten allerdings für alle gleichermaßen und müssen daher ohne Ansehen von Person und Anliegen der Versammlung auch durchgesetzt werden. 

© Heike Niemeier | SUPERillu
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg (r.) im Gespräch mit SUPERillu-Vize Katja Reim und Politikchef Gerald Praschl

Über Verschöwungstheorien

Bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien spielt das Internet die wichtigste Rolle. Absurde Thesen, Hass und Hetze finden dort ein großes Publikum, tragen zur Radikalisierung bei. Brauchen wir im Internet Schranken der Meinungsfreiheit?

In einer offenen, freien Gesellschaft muss man viel aushalten - auch Meinungen, die man abwegig oder absurd findet. Die Meinungsfreiheit ist ein besonders hohes Gut, denn sie ermöglicht es, die Gefährdung anderer Freiheiten überhaupt zum Thema zu machen und ihre Grenzen müssen deshalb sehr weit sein. Das wissen wir in Ostdeutschland, wo wir uns die Meinungsfreiheit 1989 selbst erkämpft haben, am besten. Verschwörungserzählungen gab es schon immer, doch deren Verbreitung hat heute eine andere Dimension. Was früher meist nur unter wenigen an Stammtischen verbreitet wurde, erhält in den Sozialen Medien eine enorme Reichweite. Was davon strafrechtlich relevant ist, was beleidigend und ehrverletzend ist oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet, muss verfolgt und geahndet werden. Polizei und Justiz müssen dazu personell und technisch angemessen ausgestattet werden. Es ist aber auch jeder Einzelne, der in den Sozialen Medien im Internet unterwegs ist, gefragt, Verantwortung zu zeigen. Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Im Internet sollten dieselben Anstandsregeln gelten wie im persönlichen Umgang miteinander. Informationen und deren Quellen sollten auch kritisch hinterfragt werden. Im Übrigen spielt das Internet auch eine sehr positive Rolle, indem es zur Verbreitung von Informationen beiträgt und es Menschen leichter macht, sich zu informieren und zu vernetzen. Die Dinge sind nicht Schwarz-Weiß.

Über Vergleiche mit dem Volksaufstand in der DDR 1953

Viele der Corona-Demonstranten vergleichen ihre Demos mit dem Volksaufstand in der DDR 1953 und den Montagsdemos während der friedlichen Revolution 1989. Was halten Sie davon?Diese Vergleiche sind völlig unangemessen, sie verharmlosen wirkliche Diktaturen und verhöhnen deren Opfer. Oder kommt jemand, der heute auf die Straße geht und die Regierung kritisiert, ins Gefängnis, wie das in der DDR der Fall war? Verliert man seinen Studienplatz? Wird man von der Stasi abgeholt? Rollen Panzer gegen Demonstranten? Wer die Freiheit schätzt, der macht solche leichtfertigen Vergleiche nicht auf. Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet nicht, ein Recht darauf zu haben, von Widerspruch verschont zu bleiben. Das verkennen leider einige. Nicht alles, was man mit guten Gründen kritisieren kann, ist gleich Zeichen einer Diktatur. Wer so redet, möge dieser Tage nach Belarus blicken, um zu sehen, was Diktatur bedeutet und wie wertvoll Demokratie und Rechtsstaat sind.

Über Fake News

Viele Fake News werden über deutschsprachige Gruppen in russischen sozialen Medien wie VKontakte oder Telegramm verbreitet. Dort posten sich die Leute vor Lügen strotzende „Nachrichten“ der vom russischen Staat finanzierten Propaganda-Seite RT zu. Sollte man solchen Kanälen nicht den Saft abdrehen, wie US-Präsident Trump, nicht selten selbst Verbreiter von Falschnachrichten, es ­gerade der chinesischen Social-MediaPlattform TikTok androht?

Man muss hier sehr aufpassen, sich nicht auf dieselbe Ebene zu begeben wie autoritäre Regime, die mit solchen Methoden Kriege gegen unsere freiheitliche Gesellschaft führen, indem sie Falschinformationen verbreiten und damit Stimmung machen. Wir müssen unsere Demokratie widerstandsfähiger dagegen machen. Die Bundesregierung muss hier z.B. viel mehr für die Sicherheit der kritischen Infrastrukturen Deutschlands wie Daten- und Energienetze tun. Gefragt ist auch die Mündigkeit und Medienkompetenz jedes Einzelnen, Informationen aus diesen Quellen kritisch zu hinterfragen und einzuordnen, Manipulationen zu erkennen und sich dann selbst eine Meinung zu bilden.