Der Generationenwechsel in der Schauspielagentur Kling
Bei der Bestellung im Café Heider in Potsdam wird deutlich, dass sich Anja Kling, 53, und Oliver Haas, 54, in manchem recht ähnlich sind: Beide bestellen einen frisch gepressten Orangensaft mit Ingwer. Für die Schauspielerin und ihren Ehemann ist es heute das erste gemeinsame Interview. In beider Leben hat sich viel geändert: Seit einem halben Jahr führen sie gemeinsam die Schauspielagentur Kling. 30 Jahre lang war Anja Klings Mutter Margarita, 80, dort die Hauptverantwortliche. Nun der Generationenwechsel. „Die Idee ist nicht von heute auf morgen geboren. Vor ein paar Jahren haben wir angefangen, gemeinsam mit meiner Mutter darüber nachzudenken, was denn einmal ist, wenn sie in die zweite Reihe treten will“, sagt Anja Kling. Dieser Zeitpunkt war nun gekommen.
Ich bin an einem Punkt, an dem ich Lust auf etwas Neues habe.
Oliver Haas
Oliver Haas’ Entscheidung, seinen Beruf aufzugeben
Im Hause Haas/Kling sorgte das für weitreichende Veränderungen. Während Anja Kling auch weiterhin als Schauspielerin tätig sein wird, entschied sich Oliver Haas, seinen Beruf aufzugeben. Er war als Best Boy (erster Lichttechniker) bei Filmen wie „Die Tribute von Panem“, „John Wick oder „Babylon Berlin“ am Set. „Ich war immer wahnsinnig gern in meinem Beruf tätig. Es gab zunächst die Idee, einen fließenden Übergang hinzubekommen. Allerdings haben wir schnell gemerkt, dass das nicht funktioniert und wir eine Entscheidung treffen müssen. Das habe ich ganz bewusst getan.“ Seinen Job vermisst der Köpenicker, der aus einer Fernsehfamilie kommt, bislang nicht. „Es hat mir immer viel Spaß gemacht, durch die Welt zu reisen. Das tue ich immer noch wahnsinnig gern – aber nun eben mit meiner Frau und den Kindern. Für mich ist es schön, dass ich hier eine Basis habe. Ich habe 36 Jahre mit Leidenschaft gedreht und jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich Lust habe, etwas Neues zu starten.“ Diese Entwicklung ist auch für Anja Kling eine glückliche Fügung. „Meine große Sorge war, dass er nach einiger Zeit sagt: ‚Mir fehlen mein Set, mein Beruf, meine Jungs.‘ Ich bin heilfroh, dass er in seiner neuen Aufgabe so aufgeht und so viel Freude daran hat.“
Ich bin heilfroh, dass er in seiner neuen Aufgabe so aufgeht.
Anja KlingDie Stärken und Besonderheiten von Anja Kling und Oliver Haas
Das neue Abenteuer Agentur gehen sie optimistisch an. „Unsere große Stärke ist unsere Erfahrung und unser Netzwerk – ich aus dem deutschen Film und Fernsehen, Oliver aus dem internationalen Bereich.“ Das Paar, das seit 2015 liiert ist und seit 2018 verheiratet, lernte sich durch die Zusammenarbeit in der Agentur noch besser kennen. Liebevoll betiteln sie sich mit „Herr Excel“ und „Frau Zettel“. Die Schauspielerin erklärt: „Oli ist ein Excel-Fan und legt unheimlich gerne Tabellen an. Ich schreibe Dinge lieber auf einen Zettel. Egal wo und wie: Gedanken werden immer schnell notiert.“
Was schätzen die beiden aneinander? „Oli ist ein unglaublich zuverlässiger, akkurater Mensch und Arbeiter. Man kann sich darauf verlassen, dass er Dinge zu 100 Prozent umsetzt. Und er ist extrem ehrlich. Ich weiß immer, woran ich bei ihm bin. Das erleichtert das Leben und das Arbeiten.“ Oliver Haas kommt regelrecht ins Schwärmen: „Anjas Stärken sind ihr sonniges Gemüt und ihre Fröhlichkeit. Wenn sie morgens aufsteht, ist sie sofort präsent. Sie ist wahnsinnig begeisterungsfähig, gewissenhaft und kann sich wunderbar in Menschen hineinfühlen. Das ist toll und eine Eigenschaft, die ich nicht von vielen kenne.“
Anjas Stärken sind ihr sonniges Gemüt und ihre Fröhlichkeit.
Oliver HaasDas familiäre Umfeld der Agentur in Wilhelmshorst
Der Sitz ihrer Agentur ist Wilhelmshorst bei Potsdam. Dort wohnt das Paar neben Anjas Eltern. In der Agentur geht es familiär zu. Anjas Mama Margarita ist weiter als Beraterin tätig, betreut auch zukünftig ihre Tochter. Oliver Haas geht in seiner neuen Aufgabe auf. „Da muss ich meinen Mann ein bisschen bremsen. Er könnte auch am Wochenende die ganze Zeit am Rechner sitzen. Eine Agentur ist ja kein Nine-to-five-Job. Man muss sich die Auszeiten nehmen; ich kann das im Moment etwas besser als er.“
Gemeinsame Interessen und Hobbys
Im Sommer will das Paar, wenn die Schauspielerin nicht gerade dreht oder mit Schwester Gerit, 58, auf Lesung ist, wieder Zeit auf dem Wasser verbringen. Vor vier Jahren machten beide den Bootsführerschein. Die Potsdamerin: „Man lernt eine Stadt von der Wasserseite noch mal ganz neu kennen.“ Beide verbindet nicht nur die Liebe zum Wasser, sondern auch zum Sport. Sie fahren Ski, spielen Tennis. „Und seit genau zwei Tagen machen wir sogar gemeinsam Yoga“, verrät Oliver Haas. Seine Frau ergänzt: „Ich mache das schon länger und konnte meinen Mann dazu überreden, das auch mal auszuprobieren. Nur am Rechner zu sitzen, kann ja nicht gesund sein.“
Zu Hause findet der gelernte Elektromonteur immer etwas zu tun. Anja Kling: „Ich bin sehr dankbar, dass er handwerklich so begabt ist. In meiner Familie kann das niemand so gut wie er. Oli ist Lichtmann, Elektriker, Tischler, Gärtner und Maurer in Personalunion. Und jetzt eben auch noch Schauspielagent.“ Und sie ergänzt augenzwinkernd: „Damit erklärt sich der Begriff ‚Best Boy‘ für mich noch mal ganz anders.“
Momentan gehören u.a. die Schauspieler Hinnerk Schönemann und Volker Zack zum Portfolio der Agentur , aber das Paar will auch jungen Talenten eine Chance geben. Schauspielerei sei mit dem richtigen Drehbuch und Regisseur ein Traumberuf, aber auch ein hartes Geschäft.
Ich hatte noch vor zehn Jahren dreimal so viele Angebote.
Anja Kling
Die Herausforderungen des Schauspielgeschäfts ab dem 50. Geburtstag
Auch Anja Kling merkt, dass die Rollenangebote seit dem 50. Geburtstag abnehmen. „Ich drehe immer noch regelmäßig, aber es ist deutlich weniger geworden. Ich hatte noch vor zehn Jahren drei Mal so viele Angebote. Meine Mutter hat mir das immer vorausgesagt.“ Die erfahrene Agentin habe ihr damals erklärt: Sie dürfe nicht davon ausgehen, dass das immer so bleibe und immer so laufe. Frauen ab 50 hätten es schwer in dieser Branche. „Ich hab als junge Frau gedacht: Mal gucken, vielleicht geht der Kelch an mir vorüber. Aber sie hatte recht. Auch ich muss mich daran gewöhnen, dass jetzt 30- oder 40-Jährige die großen Rollen spielen.“
Mittlerweile geht die Darstellerin, die immer noch in spannenden Projekten (wie im ZDF-Film „Der Millionen Raub“) zu sehen ist, entspannt damit um. Denn auch dank der Agentur mangelt es ihr nicht an Arbeit – und auch nicht an Optimismus. „Wir schauen der Zukunft ganz gelassen entgegen.“
