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© Uwe Toelle | SuperIllu
Report

Rügen: Streit um den Bau des LNG-Terminals

Die Bundesregierung will auf der Ostseeinsel ein Flüssiggas-Terminal bauen. Viele Einheimische protestieren gegen dieses Vorhaben, sehen dadurch die Natur sowie ihre Existenz gefährdet. SuperIllu traf einige im Seebad Binz.

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“Wir können es nicht fassen, dass ausgerechnet Robert Habeck als grüner Wirtschaftsminister diese traumhafte Naturlandschaft in ein Industriegebiet verwandeln will“ Kai Gardeja, 47, Tourismusdirektor in Binz.

Riesiger Erdgas-Terminal in Binz

Arbeiten, wo andere Urlaub machen - davon träumen viele Menschen. Kai Gardeja lebt diesen Traum seit zehn Jahren – als Tourismusdirektor im Seebad Binz auf Rügen. „Wir haben hier ein Postkartenmotiv direkt vor unserer Haustür“, schwärmt er. Und das genießt er Tag für Tag. Weißen Sandstrand, mondäne Bäderarchitektur und blaues Meer gibt es hier so weit das Auge reicht. Genau das macht die 6400-Seelen-Gemeinde im Osten der Insel, v.a. während der Sommermonate, zu einem der beliebtesten Reiseziele der Deutschen. „Im vergangenen Jahr verbuchte Binz fast drei Millionen Übernachtungen.“ Doch wenn Gardeja seinen Blick über die Binzer Bucht schweifen lässt, entgleisen seine Gesichtszüge. Am Horizont liegt ein rotes Schiff vor Anker - es trägt die Aufschrift „LNG“. Diese drei Lettern sind die englische Abkürzung für „Liquefied Natural Gas“, flüssiges Erdgas, und genau das bereitet Gardeja seit Monaten schlaflose Nächte.

Denn im nur wenige Kilometer von Binz entfernten Hafen Sassnitz-Mukran soll nach Plänen der Bundesregierung bis zum Winter ein riesiges LNG-Terminal entstehen, an dem mit Flüssiggas beladene Tanker anlegen können. Der fossile Brennstoff soll dort regasifiziert werden, anschließend durch eine 50 km lange Pipeline nach Lubmin fließen und dort ins Gasnetz eingespeist werden. Viele Rügener, vor allem die Binzer, wollen das Bauvorhaben jedoch verhindern. Sie befürchten, dass dadurch das Ökosystem, ihre Existenz sowie die Attraktivität ihrer Heimat unwiederbringlich beschädigt wird. „Die Menschen hier können es nicht fassen, dass ausgerechnet Robert Habeck als grüner Wirtschaftsminister diese traumhafte Naturlandschaft in ein Industriegebiet verwandeln will“, sagt Gardeja. Es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die lautstark gegen das LNG-Projekt protestiert. Sie schaffte es sogar bis vor den Petitionsausschuss des Bundestags. „Man hat uns auch angehört, aber die Entscheidung scheint über unsere Köpfe hinweg längst getroffen worden zu sein.“

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Während Urlauber in blauen Strandkörben ihren Sommerurlaub genießen, liegt am Horizont der Binzer Bucht ein rotes Flüssiggas-Tankschiff vor Anker

Terminal auf Rügen notwendig

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), versucht indes für mehr Akzeptanz zu werben. Seiner Auffassung nach sei das LNG-Terminal auf Rügen notwendig, um die Gasversorgung für Ostdeutschland sicherzustellen. Auf Nachfrage von SuperIllu erklärt er: „Die jetzigen Einspeisepunkte sind alle im Westen und die Leitungskapazitäten zwischen West und Ost sind nicht ausreichend. Das heißt, sollte es im kommenden Winter zu einer Gasmangellage kommen, könnte es passieren, dass bei ostdeutschen Unternehmen das Licht ausgeht.“ Gardeja will dieses Argument nicht gelten lassen. „Bis heute kann die Bundesregierung die Notwendigkeit für die Gasversorgung nicht belegen.“ Und tatsächlich: Ein vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten vom 3. März 2023 kann eine Mangellage nicht bestätigen, räumt sogar Überkapazitäten ein.

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“Ich darf nächstes Jahr hier wahrscheinlich keinen Hering mehr fangen, aber die Regierung baut mitten durch das Meeresschutzgebiet eine Gaspipeline“ Manuel Kuse, 35, letzter verbliebener Küstenfischer in der Binzer Bucht.

Gaspipeline-Bau durch das Meeresschutzgebiet

Am Binzer Südstrand liegt der Duft von geräuchertem Fisch in der Luft. Familie Kuse betreibt dort in fünfter Generation die „Fischräucherei Kuse“. Manuel Kuse ist der letzte verbliebene Küstenfischer in Binz, will das Geschäft einmal von seinem Vater Jürgen übernehmen. Er fährt regelmäßig in den frühen Morgenstunden mit seinem kleinen Boot hinaus in die Bucht, um frischen Fisch zu fangen. Alles im Einklang mit der Natur. „Ich betreibe traditionelle Stellnetzfischerei, die viel schonender ist als etwa mit Schleppnetzen.“ Doch stetig sinkende Fangquoten machen ihm das Leben schwer. Viele heimische Fischarten sind vor Rügen streng geschützt. Kuse sieht in den LNG-Plänen eine gewisse Doppelmoral der Politik. „Ich darf nächstes Jahr hier wahrscheinlich keinen Hering mehr fangen, aber die Regierung baut mitten durch das Meeresschutzgebiet eine Gaspipeline“, sagt er.

Damit die schweren Tankschiffe das Flüssiggasterminal im Hafen Mukran überhaupt erreichen können, muss auch die Zufahrtsrinne vergrößert werden. Diese soll etwa 16 m tief, 120 m breit und 2 km lang werden. Tourismusdirektor Gardeja: „Das verändert die Strömung und der Sand wird vom Strand weggespült.“ Die Auswirkungen seien hinter dem Hafen bereits sichtbar. „Der Strand dort besteht mittlerweile nur noch aus Steinen und das droht uns in Binz auch.“

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Ein Sehnsuchtsort inmitten der Natur. Das Seebad Binz ist seit eh und je ein Touristenmagnet.

Befürchtung einer Verschlechterung der Luft- und Wasserqualität

Birte Löhr leitet in Binz mehrere Hotels und Ferienapartments, allesamt in bester Lage, direkt am Strand. Sie befürchtet, dass das LNG-Terminal die Luft- und Wasserqualität in Binz verschlechtern könnte. „Das wäre eine Katastrophe, wenn wir deshalb den Status als Kurort verlieren würden“, sagt sie. Dann könnten die heute noch voll ausgebuchten Zimmer auf einmal leer bleiben. Zudem sei der Ort schon jetzt einer starken Geräuschkulisse ausgesetzt: „Von den Tankern geht ein dumpfes Brummen aus, sodass bei uns alles vibriert. Das kann doch nicht gesund sein. Die Gäste haben sich auch schon darüber beschwert.“

Die Stadt Binz versucht nun über den Rechtsweg den Bau des LNG-Terminals zu verhindern, engagierte dafür den renommierten Berliner Anwalt Dr. Reiner Geulen. Gardeja: „Ich bin optimistisch, dass wir vor Gericht gewinnen können.“