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© Nina Prommer | ddp images
40 Jahre nach Flucht in den Westen

Thomas Kretschmann: Versöhnt mit seiner DDR-Vergangenheit

Er ist einer der Stars im aktuellen „Indiana Jones“- Spektakel und lebt seit 1996 in den USA. Der gebürtige Dessauer über seine Verehrung Harrison Fords, Stempel und den Geruch des Ostens…

Vom Leistungsschwimmer in der DDR zum internationalen Blockbuster-Gesicht, von Dessau nach Hollywood: Der persönliche und berufliche Weg von Schauspieler Thomas Kretschmann, 60, ist filmreif. Wir trafen ihn in Berlin zum Interview und sprachen dabei auch über eine große Zäsur in seinem Leben: die Flucht aus seiner Heimat 1983. Doch zunächst ins Hier und Jetzt, denn seit vergangener Woche ist er wieder auf der Leinwand zu sehen: In „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, dem fünften Teil der Kult-Reihe um Harrison Ford, 80, als Dr. Henry Walton „Indiana“ Jones, Jr. Diesmal geht es um ein mächtiges wie mysteriöses Zifferblatt, das seinen Besitzer den Lauf der Geschichte verändern lässt. Hinter diesem ist gleich zu Filmbeginn auch Kretschmann als Nazi-Oberst Weber her und liefert sich eine wilde Verfolgungsjagd mit Indiana Jones…

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Mit den Kollegen Mads Mikkelsen, Harrison Ford und Phoebe Waller-Bridge (v.l.)

Herr Kretschmann, Glückwunsch zum Film! Wie gefällt er Ihnen denn?

Er ist James Mangolds Verbeugung vor dem großen, klassischen Popcorn-Kino. Eine tolle Mischung aus Hommage und Innovation. Aber Mangold ist sowieso ein großartiger Regisseur.

Sie sind längst international etabliert. Empfinden Sie Ihre Mitwirkung dennoch als Ritterschlag?

Absolut. Ich war schon an großen Sets, hier jedoch lag noch mal was anderes in der Luft… Ich weiß auch noch, während der ersten Premiere in Los Angeles hab ich gedacht: Mannomann, das ist eeecht fett! Ja, ich bin wirklich stolz und dankbar – auch darüber, nun quasi ein bisschen Teil von Filmgeschichte zu sein.

Wie war‘s mit dem legendären Harrison Ford zu drehen?

Er ist wahnsinnig süß, liebevoll und bescheiden, sodass es fast beängstigend ist. Und er hat sich diese kindliche Neugier und Unvoreingenommenheit bewahrt. Also, ich hab ja schon mit einigen Star gedreht, aber der Harrison Ford ist eine andere Liga. Auch am Set hat er nie eine Extra-Wurst gebraten, war immer da, war immer wach. Diese Energie ist schwer zu fassen.

Da ist einfach immer dieses unsichtbare Band. Man weiß, dass man zusammengehört, und das ist etwas sehr Wertvolles.

Thomas Kretschmann

Sie sind nicht der Einzige, auf den gern die Formulierung „Unser Mann in Hollywood“ angewendet wird. Wie stehen Sie dazu?

Ich empfinde das als Kompliment. Den Status hab ich mir dann anscheinend auch erarbeitet. Außerdem schwingt da doch auch mit, dass die Deutschen mich immer noch als einen von Ihnen empfinden, obwohl ich schon so lange in Amerika lebe. Und andersherum empfinde ich es genauso.

Indiana Jones kann sich auch bei seinen neuen Abenteuern auf langjährige Freunde verlassen. Ist das bei Ihnen privat ähnlich?

Ich denke da etwa an Ihre Anfänge in Hollywood vor rund 30 Jahren… Richtig gute Freunde kann ich an zwei Händen abzählen, die habe ich alle schon sehr lange. Da kann es auch manchmal sein, dass man sich länger nicht sieht. Und wenn man sich dann wieder trifft, fühlt es sich so an, als ob man gerade gestern auseinandergegangen ist. Da ist einfach immer dieses unsichtbare Band. Man weiß, dass man zusammengehört, und das ist etwas sehr Wertvolles.

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Großer Durchbruch: 2002 als Nazi-Offizier Wilm Hosenfeld im Polański-Drama „Der Pianist“ (u. a. drei Oscars) 

Sie feiern ein Jubiläum: Vor 40 Jahren flüchteten Sie aus der DDR in den Westen.

Ach, stimmt… Das war mir gar nicht bewusst. Wow! Ja, ganz offenbar ist das bei mir gar nicht mehr so präsent.

Haben Sie das Gefühl, etwas versöhnter zu sein mit der DDR? Hat rückblickend eine gewisse Altersmilde gegriffen, wenn Sie an Ihre dortigen Jahre denken?

Das kann man schon sagen. Ich bin ja damals im Gegensatz zu vielen anderen nicht woanders hingegangen, sondern ich bin von wo weggegangen. Das ist ein Riesenunterschied. Ich habe keinen Honig erwartet und konnte deshalb auch nicht enttäuscht werden, so wie viele andere, die mit großen Vorstellungen in den Westen gegangen waren. Ich wollte Selbstverantwortung. Ich wollte mir mein Leben nicht vorschreiben lassen und habe meine Konsequenzen gezogen. Das hört sich zwar einfach an, ist aber im Detail ein bisschen komplizierter, als man denkt. Der Film „Ballon“ des großartigen Bully Herbig, in dem ich mitwirken durfte, gibt die Gefühle, die mich damals umtrieben, auf erschreckend authentische Weise wider. Es roch dort förmlich nach Osten am Filmset. Ich war abends nach dem Drehen auch immer total erschöpft, weil ich jeden Tag das Gefühl hatte, zurück in die Vergangenheit geworfen zu werden.

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Gut gelaunt präsentierte sich Thomas Kretschmann im Interview mit Reporter Björn Wolfram