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© Yorck Maecke | SuperIllu
Report

Asyl-Report: Die aktuelle Lage an unserer Grenze

Die Zahl der Flüchtlinge, die aktuell in Deutschland und der EU einreisen, übersteigt den Wert von 2016. Ursachen gibt es viele, Lösungen anscheinend nur wenige. SuperIllu war an den Orten, wo die Missstände liegen. Sprach auch mit Menschen, die bei uns ein neues Leben beginnen wollen.

Von Maximilian Schroth, Claudius Mackes und Gerald Praschl 

Sieben Stunden war SuperIllu-Reporter Maximilian Schroth mit einer Einheit der Bundespolizei an der deutsch-polnischen Grenze bei Forst (Lausitz) unterwegs, um sich selbst ein Bild zu machen. In dieser kurzen Zeit tauchten dort über 50 Menschen auf, die in Deutschland Asyl suchen. Mit dem Presse-Termin (an dem auch andere Journalisten teilnahmen) wollten die Behörden offenbar zeigen, dass die neuen Grenzkontrollen, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versprach, in die Tat umgesetzt werden. Was Reporter Schroth vor Ort sah, zeigte aber vor allem auch eins: Dass solche „Kontrollen“ gegen die Asylflut gar nicht helfen. Denn rechtlich können die Beamten die Migranten - die meisten sind syrische Männer, aber auch einige Frauen und Kinder - nicht abweisen. Sie nehmen lediglich die Personalien auf und gehen auf die - meist vergeblich - Suche danach, ob sich unter den Ankömmlingen auch Schleuser oder steckbrieflich Gesuchte verstecken. Anschließend lotsen sie die Migranten zur Erstaufnahmestelle, wo diese Asylanträge stellen können. Damit endet dann die Zuständigkeit der Beamten.

Asyl-Misere beginnt weit vor den Grenzkontrollen

Die Grenzkontrollen von Forst sind nur ein kleiner Teil der Asyl-Misere, die schon weit vor den deutschen Grenzen beginnt. Auf ihrem Weg nach Deutschland, der sie entweder über den Balkan oder via Russland und Belarus führte, haben die Migranten nämlich schon ein oder mehrere EU-Länder durchquert. Gemäß dem „Dublin-Abkommen“ müssten sie eigentlich dort Asyl beantragen. Doch dieses System funktioniert schon lange nicht mehr. Der schlimmste, weil tödlichste Missstand spielt sich an Europas Seegrenzen ab. Flug- und Fährgesellschaften ist es schon seit Langem bei hoher Strafe verboten, Passagiere ohne Visum an Bord Richtung EU zu nehmen. Die teure Spezialeinheit „Frontex“ versucht zu verhindern, dass Migranten in privaten, oft hochseeuntüchtigen Booten übersetzen. Tausende ertrinken pro Jahr bei diesem Versuch. Damit es auf diesem Wege nicht noch mehr Tote gibt, finanziert die Bundesregierung andererseits auch private „Retter“, die die Bootsmigranten an Bord nehmen und in EU-Häfen bringen. Von dort reisen viele oft gleich weiter nach Deutschland, dass den meisten unter ihnen als „gelobtes Land“ gilt.

Überlastete Verwaltungen

Diese landen nach ihrer Ankunft zunächst in inzwischen überfüllten „Erst-Aufnahmelagern“. So mancher der Neuankömmlinge ahnt da schon, dass es in Deutschland nicht so einfach werden würde, wie er sich das aus der Ferne vorstellte. Im Irrglauben, in den deutschen Millionenstädten sei das Leben am besten, ziehen viele aus den Unterkünften in der Provinz oft illegal weiter, nach Berlin oder Hamburg. Genau dort ist die Verwaltung dann aber völlig mit ihnen überfordert. Die neu angestoßenen Asylverfahren dauern laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Schnitt angeblich zwar „nur“ noch rund 7 Monate. Diese können sich in vielen Fällen aber auch Jahre hinziehen. Insbesondere dann, wenn Asylbewerber sich juristisch gegen ihre Ablehnung wehren. Anwalt und Unterhalt zahlt in dieser Zeit in aller Regel komplett der Staat.

Viele laufende Duldungsverfahren

Selbst wer nach jahrelangem Rechtsstreit scheitert, muss zumeist nicht die Koffer packen. Rund 280000 abgelehnte Asylbewerber wären derzeit „ausreisepflichtig“, werden aber überwiegend „geduldet“, weil ein „Abschiebehindernis“ vorliegt. Obwohl das deutsche Asylrecht sehr großzügig abgefasst ist und neben „Politisch Verfolgten“, auch ethnisch, religiös oder wegen ihrer Sexualität Verfolgten Asyl gewährt, wird nur rund 52% aller Asylbewerber Schutz gewährt. Doch auch die anderen 48% fallen während der oft langwierigen Verfahren dem Sozialstaat zur Last.

Verteidiger der immer mehr an die Wand laufenden Asylpraxis in Deutschland argumentieren u.a., Deutschland brauche ja ohnehin Arbeitskräfte, da könne man beim Asyl großzügig sein. Die Bundesregierung will jetzt Asylbewerbern einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.

Legale Einwanderungsmöglichkeiten

Doch legale Möglichkeiten, ganz ohne Asyl nach Deutschland einzuwandern, gibt es reichlich. Bereits seit 2011 gilt für alle EU-Bürger eine unbeschränkte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Aktuell kommen „netto“ (also Zuzüge minus Fortzüge) rund 110000 Menschen auf diesem Weg aus anderen EU-Ländern zu uns. Anders als Asylbewerber haben sie zunächst keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Sie müssen ihren Unterhalt und auch ihre Sprachkurse selbst finanzieren. Gleiches gilt für die Einwanderung von Arbeitskräften von außerhalb der EU, die in den letzten Jahren vereinfacht wurde. 28000 Menschen kamen im Jahr 2022 auf diesem ebenfalls legalen Weg nach Deutschland. Weitere rund 61000 junge Menschen (u.a. aus Indien und China) kamen 2022, um hier zu studieren. Ihre Familien zu Hause, meist aus dem neuen Mittelstand dieser Länder, zahlen für sie Flug, Unterkunft, Deutschkurse, Unterhalt und Studiengebühren. Sozialleistungen oder BAföG erhalten sie nicht. Ihre Aufenthaltserlaubnis ist an ein erfolgreiches Studium gebunden. Wenn sie nach ihrem Studium einen Job in ihrer Fachrichtung in Deutschland finden, dürfen sie bleiben.

Die Asyl-Einwanderung dagegen sorgt zunehmend nur noch für Frust. Auch bei nicht wenigen Asylbewerbern selbst, denen sehr wohl auffällt, wie kaltherzig sie inzwischen behandelt werden.

Asyl-Politik scheitert an Kapazitäten

Daneben scheitert die Asyl-Politik auch an den Kapazitäten. Zahlreiche Landräte und Bürgermeister schlagen Alarm. SuperIllu-Reporter Claudius Mackes erkundete die Lage im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Landrat Christian Tylsch (40, CDU) sagte ihm dort: „Wir hier im ländlichen Raum bekommen inzwischen dieselben Probleme wie die großen Städte. Wohnraum wird knapp, die Verwaltung ist am Limit. Und qualifizierte Mitarbeiter, die sich um die Betreuung kümmern, gibt es viel zu wenig.“

Ehrenamtliches Engagement ist essenziell

Ohne ehrenamtliche Helfer ginge schon lange nichts mehr. So wie beim„Nachbarschaftstreff“ Wittenberg, den Reporter Mackes besuchte. Ursprünglich eine Begegnungsstätte für Senioren, ist dieser nun zur Anlaufstelle von Asylbewerbern geworden. Die Helfer vom „Nachbarschaftstreff“ bieten Sprachkurse an, übersetzen Behördenbriefe. Oder zeigen einfach menschliche Anteilnahme.

Vier Geschichten von Menschen, die zu uns kamen

Wir haben dort auch vier Asyl-Bewerber getroffen, die zum Teil schon länger in Wittenberg sind. Lesen Sie ihre Geschichten. Auch das gehört dazu! Denn bei der Asyl-Misere geht es nicht nur um nüchterne Zahlen. Sondern um Menschen, die gerne bleiben würden. Wer Asyl ablehnt, der muss sich klar sein, dass er ihnen in die Augen schauen und sagen muss: Wir wollen dich hier nicht haben.

© Yorck Maecke | SuperIllu

Ein schwerer Weg

Najah, 23, kam 2017 aus Syrien nach Deutschland. Sie hat drei Kinder, lebt getrennt von ihrem Mann. Sie erzählt, dass es sehr lange dauerte, bis sie einen Sprachkurs besuchen durfte und von vielen weiteren Schwierigkeiten. Aktuell hat sie einen Aufenthaltstitel für zwei Jahre und „vorübergehenden Schutz“.

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Dauerhafter Aufenthalt

Abdul, 25, floh 2017 aus Syrien nach Deutschland, lebt mit seiner Familie in Wittenberg. Er spricht inzwischen gut deutsch, hat eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und ein Studium begonnen.

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Der Traum vom Studium

Karim, 28, kam vor elf Monaten aus Afghanistan nach Deutschland. Er ist gelernter Kartograf, träumt von einem Studium in Deutschland. Mit der Begründung, dass er von den in Afghanistan herrschenden Taliban verfolgt wird, hat er einen Asylantrag gestellt. Einen Bescheid, ob er bleiben darf, hat er noch nicht. Beim „Nachbarschaftstreff“ besuchte er einen Deutschkurs.

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Ausbildung und „Abschiebeverbot“

Abdoul, 22, brach vor sieben Jahren aus Guinea in West-Afrika Richtung Norden auf, arbeitete zunächst als Gast-Arbeiter in Algerien. Dort beschloss er, sein Glück in Europa zu versuchen. Seit 2018 ist er in Wittenberg, stellte dort zunächst einen Asyl-Antrag, der abgelehnt wurde. Er darf aber vorerst bleiben, weil ein Gericht ein „Abschiebungsverbot“ erließ. Dazu trug u. a. bei, dass er inzwischen Kfz-Mechatroniker lernte.