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© Jens Büttner | dpa Picture-Alliance
In Mecklenburg-Vorpommern

Unklares Sanddornsterben: Die letzte größere Ernte

In Brandenburg und Sachsen-Anhalt geht’s den Sträuchern aber gut! Doch in Mecklenburg-Vorpommern wurde gerade die letzte nennenswerte Ernte eingeholt.

Das Orange der Sanddornbeeren gehört im Spätsommer fast so selbstverständlich zur Ostseeküste wie das Blau des Wassers. Gehörte! Die gerade zu Ende gehende Ernte war die letzte größere Ernte in Mecklenburg-Vorpommern. Denn auch der letzte große Produzent, der Agrarbetrieb Forst Schneebecke, gibt den Sanddorn auf und stellt seine Flächen um.

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Eine Mitarbeiterin des Agrarbetriebs Forst Schneebecke prüft den hier schon tiefgefrorenen Sanddorn. Die gefrosteten Beeren werden von Zweigen und Blättern getrennt

Der Grund ist unklar

Seit Jahren, 2015 wohl, erkrankten und sterben die genügsamen Pflanzen, die auf Sandböden gedeihen, in großer Zahl. Sowohl Wildbestände als auch ganze Plantagen gingen verloren. Weil niemand weiß, woran genau das liegt, kann niemand sagen, wie das Sterben zu stoppen sein könnte. „Anfangs sah es aus, als würden die Sträucher vertrocknen. Da haben wir uns noch nicht so viele Gedanken gemacht“, sagt Agrarbetriebschef Benedikt Schneebecke.

2017, als der erste Mecklenburger Betrieb aufgeben musste, investierte und installierte Schneebecke extra noch in eine unterirdische Bewässerungsanlage für 40 Hektar. Denn bei aller Genügsamkeit, Wasser braucht der Sanddorn schon. „Wir hatten die Hoffnung, wenn die Sträucher keinen Trockenstress haben, könnten sie sich allein wehren.“ Die Hoffnung erfüllte sich nicht. „Ist die Krankheit erst in der Fläche, ist in drei, vier Jahren alles hinüber“, schildert er den Verlauf, der im ganzen Bundesland zu beobachten war. Auch in seinem Familienbetrieb ging es bergab. Zehn Tonnen holt sein Team in dieser Saison noch einmal vom Feld. In den besten Jahren waren es 200.

Forschungsprojekt kam zu spät

Verdächtiger im Krimi Sanddornsterben ist ein Pilz, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Benedikt Schneebecke glaubt das nicht. „Die Krankheit fängt immer erst nach drei, vier Jahren an. Bis dahin stehen die Sträucher normal, tragen dann einmal richtig viele Beeren, dann sterben sie ab. So haben wir es beobachtet.“

Trotz des Mahnens und Drängens habe das Ministerium zu spät auf die Rufe der Sanddornbauern reagiert, das Problem zu untersuchen. Erst 2021 wurde ein Forschungsprojekt aufgesetzt, sagt er. Für das Land an der Küste zu spät. Und so verschwinden vielleicht nicht nur die orangenen Früchte aus dem Landschaftsbild. Auch der ein oder andere Hofladen, der Beeren zu Tee, Konfitüre, Kosmetik verarbeitet, könnte aufgeben.

Kein Mangel an Sanddornprodukten

So schlimm es um die Pflanze im Norden stehen mag – ihre Früchte sind weiter gefragt, weil sie für Mensch (und Tier) besonders gesund sind. Die Inhaltsstoffe wirken u.a. entzündungshemmend. Mit einem Vitamin-C-Gehalt von bis zu 1300 Milligramm auf 100 Gramm übertrumpfen sie Zitronen um ein Vielfaches, die nur 51 Milligramm auf 100 Gramm haben.

Immerhin, ein genereller Mangel an heimischen Sanddornprodukten droht nicht. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind die Pflanzen intakt. „Wir haben keine Probleme mit den Sträuchern“, sagt Dorothee Berger, Chefin eines 150 Hektar großen Betriebs in Werder.

Ein bisschen Zuversicht bewahrt sich auch Benedikt Schneebecke. Die für die Ernte und Frostung der Beeren spezielle Technik wird er nicht gleich abstoßen. „Wenn in zwei, drei Jahren eine Ursache gefunden würde, kann ich mir vorstellen, wieder in den Sanddorn einzusteigen“, sagt er. Aber jetzt setzt er erst einmal auf ein anderes saisonal stark nachgefragtes Produkt: Weihnachtsbäume.

© Stefan Specht
Dorothee Berger, Geschäftsführer in der Christine Berger GmbH, Sanddornproduzenten aus Werder (Havel)

Größte Anbauerin Deutschlands Dorothee Berger

„An der Küste ist die Lage erschreckend. Die größten Sanddorn-Flächen Deutschlands liegen aber in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Und dort geht es den Pflanzen gut. Grundsätzlich ist Sanddorn stabil. Wir drücken die Daumen, dass es so bleibt. Bisher gibt es zum Sanddornsterben keine eindeutigen Forschungsergebnisse, diese Unwissenheit ist schwer für uns. Inzwischen haben wir natürlich auch mit dem Klimawandel zu tun, die Trockenheit wird nicht besser. Unsere Ernte ist in diesem Jahr durchschnittlich, etwas reduziert. Wir passen den Anbau den veränderten Bedingungen an, die Pflanze soll so natürlich wie möglich wachsen.“

© Sophia Kembowski | dpa picture alliance
Hans-Joachim Albrecht starb am 3. Juni 2022.

Sanddorn-Papst Hans-Joachim Albrecht

Erste Züchtungen gehen auf die DDR zurück - konkret auf Hans-Joachim Albrecht. Der 1932 in Wanzleben (Sachsen-Anhalt) geborene Albrecht gilt als Begründer der europäischen SanddornKultur. 1956 kam der Gärtner nach Berlin, wurde Leiter der Vermehrungsabteilung der „Späth’schen Baumschule“. Sein Auftrag: Die Züchtung einer vitaminreichen Frucht für die Arbeiterklasse. Sanddorn bot sich wegen seines hohen Vitamin-C-Gehaltes an. Aus wilden Kultursorten schuf Albrecht Pflanzen, die sich für den Anbau auf Feldern eignen. 1979 wurde die erste Züchtung zugelassen.