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© Michael Handelmann | SuperIllu
Wirtschaftsinterview

LEAG-Vorstandsvorsitzender Thorsten Kramer: Wie sicher ist unser Strom?

„Unsere Stromversorgung ist sicher“, das sagt der Chef des größten Stromherstellers im Osten, LEAG-Vorstandsvorsitzender Thorsten Kramer zu SuperIllu. Außerdem erklärt er, warum es trotz Energiekrise beim Kohleausstieg bleibt und sein Unternehmen mit dem Bau einer „GigawattFactory“ in der Lausitz komplett auf Erneuerbare umsteigen will.

© EPNE
Auf ihren Flächen plant die LEAG den Bau von Photovoltaikanlagen. Hier der Spatenstich zu einem PV-Park Ende Oktober 2022 nahe dem LEAG-Kraftwerk Lippendor.

Herr Kramer, droht uns im Winter ein Blackout? Wie sicher ist unsere Stromversorgung?

Einen Blackout in Deutschland halte ich für eher unwahrscheinlich. Wir haben ein sehr stabiles Netz, unsere Stromversorgung ist sicher. Es mag in anderen europäischen Ländern Probleme geben, weil diese über weniger Netzreserven verfügen. Aber in Deutschland sind wir zum Glück sehr gut aufgestellt.

Was trägt die LEAG dazu bei?

Wir produzieren etwa zehn Prozent des deutschen Stroms. Im Oktober haben wir zwei Braunkohleblöcke im Kraftwerk Jänschwalde, die nur noch in Sicherheitsbereitschaft waren, wieder aus dem Dornröschenschlaf geholt. Sie sind seitdem wieder voll am Netz, mit zusammen 1000 Megawatt Leistung. Unsere vier ostdeutschen Braunkohlekraftwerke laufen stabil und leisten einen enormen Anteil daran, Deutschland sicher mit Strom zu versorgen.

Dank enorm gestiegener Strompreise machen viele Stromerzeuger aktuell hohe Gewinne. Die LEAG doch sicher auch, oder?

Ja, das stimmt. Im Gegensatz dazu wurde im Stromgeschäft in den letzten Jahren aber nur sehr wenig Geld verdient, weil die Strompreise im Keller waren. Da hat uns auch keiner geholfen. Und nun will die Regierung von Stromerzeugern eine „Zufallsgewinn“-Abgabe? Das ist der größte Fehler, den man machen kann! Einerseits will die Bundesregierung einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien - andererseits nimmt sie genau den Unternehmen, die das leisten können, das Geld als vermeintlichen „Zufallsgewinn“ ab. Um die Energiewende zu stemmen, müssen wir sehr viel Geld investieren. Dazu brauchen wir die finanziellen Mittel und Planungssicherheit. Das Vorhaben der Bundesregierung, die Stromerzeuger mit einer „Zufallsgewinn“-Abgabe zu schröpfen, bewirkt das Gegenteil.

Die LEAG wird bis 2030 der größte Grünstromerzeuger Deutschlands.

Thorsten Kramer
© Rainer Weisflog | imago images
Zusätzlich will die LEAG viele neue Windkraft-Anlagen bauen – wie hier bereits am Tagebau Cottbus-Nord

Wie sehen die Zukunftspläne der LEAG aus?

Wir werden in den nächsten Jahren eine 180-Grad-Wende hinlegen, weg von Braunkohleverstromung, hin zur Stromproduktion aus Erneuerbaren: Photovoltaik, Windstrom, Speicherlösungen für den damit erzeugten Strom, dezentrale Wärme- und Energieversorgung. Alles was CO2-frei funktioniert, ist die Zukunft der LEAG. Dazu fahren wir unsere Kraftwerke und Tagebaue in den nächsten Jahren, bis 2038, schrittweise herunter und bauen parallel das grüne Geschäft aus. Unser Vorteil: Wir haben riesige ehemalige Tagebau-Flächen, etwa 33000 Hektar. Dort planen wir im großen Stil neue Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen. Die LEAG will das größte Zentrum erneuerbarer Energien in Deutschland bis 2030 in der Lausitz aufbauen und wird der größte Grünstromerzeuger Deutschlands. Dafür investieren wir pro Jahr eine Milliarde Euro. Mit einer Leistung von sieben Gigawatt können in Zukunft rechnerisch vier Millionen Haushalte sicher mit ökologischem Strom versorgt werden. Unsere „Gigawatt-Factory“ verbindet innovative Speicherlösungen, grünen Wasserstoff und zukunftsfähige Kraftwerke und macht umweltfreundliche Energie als gesicherte Leistung verfügbar. Das ist eine ganz neue Qualität in der Energieversorgung. Deutschland befindet sich in der schwersten Energiekrise seiner Geschichte. Die Gas- und Strompreise setzen Bürger und Unternehmen massiv unter Druck. Wir brauchen importunabhängige Versorgungssicherheit mit nachhaltiger, bezahlbarer Energie. All das bietet unsere „Gigawatt-Factory“.

LEAG mit ihren vier großen Braunkohlekraftwerken in Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe und Lippendorf sowie vier aktiven Tagebauen hat 7500 Mitarbeiter. Was wird aus diesen Jobs?

Auch im Bereich grüne Energie entstehen viele Arbeitsplätze. In unseren Braunkohlekraftwerken sind viele Mitarbeiter im Bereich Wartung beschäftigt. Auch jede Windkraftanlage ist ein kleines Kraftwerk und benötigt Wartung und damit Mitarbeiter, die sich darum kümmern. Zum Zweiten wird der massive Ausbau von erneuerbaren Energien auch viele neue Arbeitsplätze anziehen. Schon jetzt machen viele Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen davon abhängig, ob vor Ort genug günstiger Strom aus erneuerbarer Energie zur Verfügung steht. Mit deren Ausbau tragen wir also enorm dazu bei, dass die Lausitz zu einem attraktiveren Produktionsstandort wird. Wir stehen hier auch international im Wettbewerb. In den USA zum Beispiel wurde gerade ein neues milliardenschweres Förderprogramm zum Ausbau erneuerbarer Energien verabschiedet. Ob neue Jobs künftig dort oder bei uns entstehen, wird wesentlich auch davon abhängen, dass wir in Deutschland genügend sichere und günstige grüne Energie zur Verfügung haben. Die Energiewende bringt für die Lausitz einen großen positiven Wandel .

Die Energiewende bringt für die Lausitz einen großen positiven Wandel.

Thorsten Kramer
© alimdi | imago images
Die LEAG betreibt vier Braunkohlekraftwerke: in Jänschwalde (Foto), Schwarze Pumpe, Boxberg und Lippendorf.

Auf Forderung der Bundesregierung hat Kohlekraftwerksbetreiber RWE zugestimmt, nicht erst 2038, sondern schon 2030 komplett aus der Braunkohle auszusteigen. Wie sieht das bei der LEAG aus?

Wir haben, anders als der Mischkonzern RWE, nur ein Standbein, die Braunkohle. Ein Braunkohleausstieg in der Lausitz schon 2030 wäre zu früh für uns. 2038 ist dagegen realistisch. Die Bundesregierung geht doch selbst davon aus, dass ein kompletter Kohleausstieg erst dann möglich ist, wenn 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren kommen. Das ist bis 2030 auf ganz Deutschland gesehen nicht zu schaffen. Dazu kommen viele Unsicherheiten: der Krieg in der Ukraine, die technischen Schwierigkeiten bei den französischen Atomkraftwerken, die enorm gestiegenen Preise. Wir steigen aus, ganz konsequent. Aber es muss gesichert sein, dass genug Strom zu bezahlbaren Preisen da ist.

Die Bundesregierung verspricht 40 Milliarden Euro Strukturhilfen für diesen Wandel, davon rund 12 Milliarden für den Osten, viel davon für die Lausitz. Für was sollte dieses Geld ausgegeben werden?

Mit diesen Mitteln sollte vor allem die Infrastruktur in der Lausitz gefördert werden - ein besseres Mobilfunknetz, schnelleres Internet, bessere und schnellere Bahnverbindungen. Und der Ausbau von grünem Strom natürlich.