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Einblicke

Corinna Harfouch: Karriere, Familie und Tod

Mit dem Film „Sterben“ von Matthias Glasner ging die Schauspielerin auf der Berlinale ins Rennen; als neue Berliner „Tatort“- Kommissarin begeistert sie im TV. Ein Blick auf die Arbeit der Künstlerin und auf ihre Ansichten zu Familie, Leben und Tod.

Sie gilt als eine der Besten ihres Fachs: In den mehr als 40 Jahren ihrer Karriere hat Corinna Harfouch so gut wie alles gespielt. Sie ist in der Komödie ebenso zu Hause, wie im ernsten Fach, sie liebt die Theaterbühne – und die Kamera liebt sie. Auch Publikum und Kritiker sind begeistert: vom Deutschen Filmpreis über Grimme-Preis und Goldene Kamera bis hin zum Europäischen Filmpreis gibt es kaum eine Auszeichnung, mit der sie noch nicht geehrt wurde. Und auch die Kollegen schätzen sie: So verriet zuletzt Sandra Hüller, die für ihre Rolle in „Anatomie eines Falls“ dieses Jahr für einen Oscar als beste Schauspielerin nominiert ist und die, wie Harfouch, in Suhl geboren wurde: „Corinna Harfouch bewundere ich sehr!“

© Pascal Bünning | rbb
Harfouch als Kommissarin Susanne Bonard im Berliner „Tatort“ mit Mark Waschke als Kommissar Karow.

Der Beruf als Weg, um sich selbst und das Leben zu verstehen

Auch heute, mit fast 70 Jahren, ist die Künstlerin so gefragt wie eh und je: Im TV überzeugt sie als „Tatort“-Kommissarin, auf der Bühne des Berliner DT ist sie in „Einfach das Ende der Welt“ zu sehen und las dort am 21. März 2024 Brigitte Reimann – und auf der Kinoleinwand startet am 25. April 2024 der Film „Sterben“, der auf der Berlinale im Wettbewerb seine umjubelte Premiere feierte.

Für die Schauspielerin ist der Beruf ihr Weg, sich selbst und das Leben verstehen zu lernen. „Spielen bedeutet für mich immer Erkennen“, sagte sie dem „Tagesspiegel“. „Ich begreife das Leben, in dem ich es spiele.“ Dabei ist es ihr oft wichtig, auch an den Drehbüchern und der Entwicklung der Figuren mitwirken zu können. So wie an ihrer Rolle der Kommissarin im Berliner „Tatort“: „Bei der Biografie von Susanne Bonnard habe ich darauf bestanden, dass die Figur nicht wie zunächst vorgesehen, aus dem Westen kommt, sondern aus dem Osten, aus Karl-Marx-Stadt“, sagt die Schauspielerin. „Das muss keine Rolle spielen, aber ich glaube an einen winzigen Unterschied bei Ost- und West-Reaktionen auf bestimmte Sachen. Und sei es eine gewisse Form von Direktheit oder Ironie.“

Gründung des Vereins „Theatersaal Klandorf“

Die in Sachsen aufgewachsene Künstlerin fühlt sich heute in Brandenburg, genauer in der Schorfheide zu Hause. Hier gründete sie 2019 mit dem Literaturwissenschaftler Erdmut Wizisla auch den Verein „Theatersaal Klandorf“. Ein Projekt, bei dem es vor allem um Gemeinschaft gehe: „Das Publikum kommt überwiegend aus dem Dorf und den umliegenden Orten. Die Menschen kommen nicht ins Theater, weil die Diva ruft. Es ist auch nicht so, dass du denen das Heil bringst, sondern so, dass du was von den Leuten zu lernen hast und zuallererst zuhören musst“, weiß Corinna Harfouch. „Es macht mich sehr glücklich, dass wir inzwischen fast so etwas wie ein Stammpublikum haben.“

© Jakub Bejnarowicz | Senator Film
Kultszene am Küchentisch: die todkranke Ellen (Harfouch) mit Sohn Tom (Lars Eidinger)

Imposante Rolle im Familiendrama „Sterben“ von Matthias Glasner

Neben dem Beruf gibt es vor allem eines, das ihr wichtig ist: „Ich habe eine reizende Familie mit vielen Enkelkindern und noch ein anderes Leben“, sagt Corinna Harfouch. Umso spannender fand sie das Projekt von Matthias Glasner. Denn dessen Film „Sterben“ dreht sich genau darum: um die Familie mit all ihren kleinen und großen Dramen. Für das Drehbuch wurde Glasner bei der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. „Jeder hat eine sehr enge Beziehung zu seinen Eltern“, sagte der Regisseur nach der Ehrung, „selbst wenn sie abgebrochen ist.“ Lars Eidinger spielt einen Dirigenten, dessen Mutter (Harfouch) todkrank, dessen Vater dement und dessen Schwester alkoholsüchtig ist. Schwere Kost? Nicht nur! Der dreistündige Film wartet auch mit tragikomischen Momenten auf. Vor allem eine Szene am Küchentisch, in der die Mutter ihren Sohn mit Wahrheiten konfrontiert, begeistert.

Abschied von ihrer Mutter

Eine Situation, die sich Harfouch auch persönlich wünscht, wie sie gegenüber Knut Elstermann im „radio eins Berlinale-Talk“ verriet. Sie hofft: „Wenn es dann wirklich ganz klar ist, dass man in die Zielgerade geht, dass man dann wirklich noch einmal alles klärt.“ Doch leider sei das meist nicht so, wie sie aus eigener Erfahrung weiß. Denn als Krankenschwester hatte sie damals die Chance, in dem Krankenhaus, in dem sie gelernt hatte, für ihre Mutter in deren letzten drei Lebenswochen da sein zu können. „Ich habe meine Mutter begleitet und habe sie auch im Arm gehalten, als sie gestorben ist – übrigens, nebenbei gesagt, eine so starke und wichtige Erfahrung für mich.“ Doch obschon sie in diesen letzten Wochen alles für ihre Mutter tun konnte, was diese auch sehr genoss, fehlte am Ende der ersehnte Abschluss. „Sie hat sich nicht verabschiedet“, sagt die Schauspielerin. „Letztendlich konnten wir nicht über diesen letzten Punkt sprechen. Was schade ist.“

Klärungswunsch mit der Familie

Für sich selbst hofft sie auf ein anderes Ende, wünscht sich, dass sie mit ihrer Familie tatsächlich alles Wichtige bereden und Abschied nehmen kann. „Meine Lieblingsvorstellung: Ich rufe sie alle zusammen. Sie kommen und sind da, haben komischerweise Zeit (lacht) – und wir besprechen das alles! Ich stelle mir uns immer so schön vor...“

Doch bis dahin freut sich ihr Publikum auf noch viele weitere Filme und Theaterprojekte.