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© Andreas Wetzel | SuperIllu
Report

Steuerveränderungen 2024: Befürchtungen von Gastronomen

Weil der Staatskasse Milliarden fehlen, will die Bundesregierung 2024 die 7-Prozent- Mehrwertsteuer auf Speisen wieder auf den alten Satz von 19 Prozent erhöhen. SuperIllu sprach mit Gastronomen und Verbrauchern über ihre Befürchtungen.

Die Hiobsbotschaften für die ohnehin schon seit Jahren gebeutelte Gastronomie reißen nicht ab. Erst die Schließungen während der Corona-Pandemie, dann die Inflation, bedingt durch den Ukraine-Russland-Krieg, mit Preissteigerungen für Lebensmittel, Energie und Personal. Nun soll auch der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent kippen, der während der Pandemie die Gastronomie entlasten sollte und bislang immer wieder verlängert wurde. Dem Bundeshaushalt fehlen nun jedoch die dafür benötigten 1,8 Milliarden Euro. Ab dem 1. Januar 2024 wird dann für Mahlzeiten im Restaurant und Café, für die Kita- und Schulverpflegung und Catering-Versorgung wieder der alte Satz von 19 Prozent fällig. Für Essen „auf die Hand“ von Imbissbuden, Lieferdiensten oder Supermärkten gelten hingegen weiterhin sieben Prozent. Viele Gastronomen sind darüber entsetzt, bangen um ihre Existenz.

Die Folgen der geplanten Steuererhöhung

„Es steht enorm viel auf dem Spiel“, erklärt die Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), Ingrid Hartges, 64, gegenüber SuperIllu. Eine Steuererhöhung auf 19 Prozent hätte fatale Folgen für Restaurants, Cafés und Caterer, ihre rund zwei Millionen Beschäftigten sowie für die Partner und Zulieferer der Gastronomie. Hartges: „Die öffentlichen Wohnzimmer der Gesellschaft, mit dem Essen auf dem Porzellanteller, dürfen nicht gegenüber verpacktem Essen benachteiligt werden. Ja, es geht um Steuerfairness.“ Sollte die reduzierte Mehrwertsteuer hierzulande abgeschafft werden, rechnet sie für die Branche ab Januar 2024 mit dramatischen Umsatzeinbußen sowie Tausenden Betriebsaufgaben, Insolvenzen und damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten. Nach DEHOGA-Umfragen stünden etwa 12000 Gastro-Betriebe vor dem Aus.

Essengehen muss bezahlbar bleiben

Die Auswirkungen würden aber auch Millionen von Verbrauchern betreffen. „Eine Steuererhöhung macht deutliche Preiserhöhungen notwendig. Damit sind Normal- und Geringverdiener sowie Familien besonders hart getroffen, weil sich viele bei höheren Preisen den Restaurantbesuch nicht mehr leisten können,“ so Hartges. Durch den reduzierten Steuersatz hätten viele Gastronomen die enormen Kostensteigerungen nicht komplett an ihre Gäste weitergeben müssen. Die DEHOGA-Chefin fordert daher: „Essengehen darf nicht zum Luxus werden und muss wirklich für alle bezahlbar bleiben.“

Stimmen von Gastronomen

Roy B., 52, Gastwirt aus Jena

„Es gibt keine Planungssicherheit. Erst heißt es, die 7% bleiben, jetzt ist es wieder anders. Meine Gaststätte ist seit 1970 in Familienbesitz, ich habe 5 fest angestellte Mitarbeiter und 5 Minijobber. Unsere Gaststätte wird zwar bestehen bleiben, aber es werden weniger Gäste kommen. Ob ich alle Mitarbeiter halten kann, weiß ich noch nicht.“

Jan S., 38, Cafébetreiber aus Jena

„Man hat Bundeskanzler Scholz vertraut, dass die 7% bleiben und so geplant. Und nun die Kehrtwende, kurz vor Weihnachten. Durch Preiserhöhungen können auch Kunden wegbleiben.“

Jan F., 48, Brauer und Wirt auf Usedom

„Für die Branche ist das eine Katastrophe. Hier im Grenzgebiet kommt erschwerend hinzu, dass Restaurants in Polen jetzt schon 30% günstiger sind. Steigen die Preise, wächst der Abstand.“

Dittmar B., 69, Hotelier und Restaurantbetreiber aus Rostock

„Natürlich hätte auch ich gerne weiterhin die reduzierte Mehrwertsteuer von 7%. Aber es war allen bekannt, dass diese nur bis Ende 2023 befristet ist. Ich habe mich darauf vorbereitet und bleibe optimistisch.“

Forderung nach anderen Prioritäten im Bundeshaushalt

Viele Gastronomen fühlen sich von der Politik betrogen, weil Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihnen während seines Wahlkampfes 2021 die Entfristung der reduzierten Mehrwertsteuer fest versprochen hatte. „Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt und der Einführung in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab“, sagte er damals in der „ARD-Wahlarena“. Die Opposition fordert von ihm nun, dieses Versprechen trotz der klammen Staatskasse nicht zu brechen. „Die Entfristung der Sieben-Prozent-Regelung ist existenzsichernd für unsere Gastronomie, die seit der Corona-Zeit nur Krisen kennt“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke, Vorsitzende des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag. Seit der Pandemie seien bundesweit bereits 36000 Gastronomiebetriebe eingegangen. Schimke will sich gegen ein weiteres Gastro-Sterben stemmen: „Wir werden weiter dafür kämpfen.“ Sie fordert von der Ampel-Regierung, die richtigen Prioritäten im Bundeshaushalt zu setzen und der Branche eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen. 

Stimmen von Verbrauchern

Jennifer E., 37, und Franziska R., 38 aus Jena

„Wir gehen nicht oft in Gaststätten. Doch wenn, dann wird uns der erhöhte Preis nicht abhalten, gemeinsam eine gute Zeit im Café zu haben. Damit unterstützen wir gerne unsere heimische Gastronomie.“

Heidi G., 61, Erzieherin aus Jena

„Die Erhöhung der Mehrwertsteuer finde ich wenig nützlich. Zumal durch höhere Preise auch Publikum in der Gastronomie wegbleibt. Und dass führt zu Schließungen. Ich persönlich werde das Kaffeekränzchen mit Freundinnen dann wahrscheinlich auch öfter vom Café nach Hause verlegen.“

Marcel H., 48, Vorarbeiter aus Saalfeld

„Der Preis für das tägliche Schulessen für meinen Sohn Moritz wird von 3,60 Euro auf 4,20 Euro pro Tag steigen. Ich bin alleinerziehender Vater und muss rechnen. Diese Preiserhöhung ist eine weitere Belastung für mich.“

Catering-Firmen versorgen täglich Tausende von Kitas und Schulen mit warmen Mahlzeiten

Mario H. ist Inhaber des Sunshine Catering Service mit 500 Mitarbeitern. Das Social-Catering-Unternehmen versorgt Kitas, Schulen und Seniorenheime in Berlin und Brandenburg mit rund 27 000 Essensportionen pro Tag.

„Die Folgen der erhöhten Mehrwertsteuer werden verheerend sein, weil sie vor allem schutzbedürftige Gruppen wie Schulkinder und Senioren zu spüren bekommen werden, die dann mehr für ihrer Mahlzeiten zahlen müssen“, so Mario H.. Denn oftmals müssen sie die Preissteigerungen selbst tragen, da viele Kommunen die Mehrkosten auch nicht stemmen können. Hempel kritisiert, dass die Unterstützung der Bundesregierung für sozial benachteiligte Personen, Familien mit Kindern und Rentner nicht ausreichend sei. „Kinder, Familien und Senioren haben in diesem Land keine Lobby“, stellt der Unternehmer ernüchtert fest. Anders als etwa Tiernahrung und Blumen. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass darauf nur sieben Prozent anfallen, obwohl das im Grunde Luxusgüter sind.“ Einen Lösungsvorschlag, um den reduzierten Steuersatz auf Speisen doch noch erhalten zu können hat Hempel auch parat: „Die Regierung könnte unnötige Ausgaben, wie die Erweiterung des Kanzleramts, kürzen. Denn in einer sozialen Marktwirtschaft sollte die Politik auch hin und wieder mal sozial denken.“