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© Heike Niemeier | SuperIllu
Interview

Tom Schilling: Neue Männer braucht das Land!

Der Filmstar über die Rolle und Kraft der Musik in seinem Leben. Welche Geschichte sich außerdem hinter seinem neuen Bandnamen verbirgt und warum er einen anderen Männertypus etablieren will – SuperIllu traf den Ostberliner.

Mit der Tragikomödie „Crazy“ begann vor 22 Jahren Tom Schillings, 40, Aufstieg an die Spitze des deutschen Films. Nach weiteren Filmen wie „Oh Boy!“ (2012) wurden ihm sogar Hollywood-Ehren zuteil: „Werk ohne Autor“ von 2018 mit ihm in der Hauptrolle war für gleich zwei Oscars nominiert. Neben seiner Leinwandkarriere macht der Familienvater seit Jahren auch erfolgreich Musik. Aus Anlass seines neuen Albums „Epithymia“ sprachen wir mit ihm.

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Während eines Gesangsauftritts 2019, als die Band noch „Tom Schilling & The Jazz Kids“ hieß

Herr Schilling, neues Album und auch gleich neuer Bandname: „Die Andere Seite“ statt „Tom Schilling & The Jazz Kids“. Wie kam es dazu?

Der Name „Tom Schilling & The Jazz Kids“ war damals auch ein bisschen aus einer Ratlosigkeit heraus geboren, weil ein Teil der Band für meinen besten Freund und mich immer die „Jazz Kids“ waren. Sie hatten einen Jazz- Soundtrack für meinen Film „Oh Boy!“ geschrieben. Das war ein ganz bewusster Etikettenschwindel, weil wir ja überhaupt keinen Jazz machen. Allerdings hatte das zur Folge, dass wir ständig auf Jazz-Festivals eingeladen wurden und Verwirrung stifteten. So kam der neue Name zustande, zumal die Musik auf „Epithymia“ tiefer und düsterer ist.

Und Sie haben auch auf „Tom Schilling“ im Bandnamen verzichtet. Warum?

Ich bin generell jemand, der nicht so gern im Mittelpunkt steht, habe aber zugleich ein großes Mitteilungsbedürfnis. Sonst würde ich keine Lieder singen und nicht in Filmen mitwirken. Da ist eine gewisse Ambivalenz. Aber eben definitiv auch das Verlangen, hinter meiner Arbeit zu verschwinden – in der Musik hinter den Stücken, im Film hinter den Rollen. Trotzdem ist da natürlich immer auch was Persönliches mit dabei. Und in meinem Fall nicht zu knapp.

Schauspieler, die plötzlich singen, und umgekehrt: Da wird ja gern mal mit den Augen gerollt. Singen Sie immer auch ein bisschen gegen Vorurteile an?

Ja, irgendwie schon. Andererseits wird es immer voreingenommene Menschen geben oder solche, in deren Weltbild man nicht passt. Vielleicht ist da manchmal auch ein bisschen Neid im Spiel – nach dem Motto: Der ist in dem einen Bereich doch schon so erfolgreich, wieso muss er jetzt woanders jemandem die Bühne wegnehmen? Aber ich mache eh einfach, worauf ich Lust habe und was mir Freude bereitet. Und: Die meisten Musiker auf dieser Welt haben eh noch einen anderen Beruf, weil sie vom Musizieren nicht leben können.

In der Filmindustrie muss man viel Glück haben. Oft wird die Luft dünn, und man stößt an Grenzen.

Tom Schilling
© Future Image | imago images
Mit Ehefrau Annie beim Deutschen Filmpreis 2021

Was gibt Ihnen die Musik – im Vergleich zum Schauspiel?

Sie ist ein Ventil, durch das ich näher zu meinem Kern komme. Ich habe oft einen Widerwillen gespürt, Dinge zu machen, die nicht so meins sind. In der Filmindustrie muss man viel Glück haben: die richtigen Menschen, der richtige Stoff – idealerweise passt alles. Aber oft wird die Luft dünn, und man stößt an Grenzen. Bei der Musik ist das ganz anders: Die kommt zu mir, wenn sie kommt. Dieses Album etwa habe ich in zwei, drei Monaten geschrieben, wie im Rausch. Ich hatte mir da nichts konkret vorgenommen. Es ging ganz von selbst los.

Macht sich bei Ihrem Nachwuchs eigentlich auch schon Kreativität bemerkbar?

Auf jeden Fall! Es werden wunderbare Bilder gemalt. Und es gibt eine große Liebe zur Musik. Wir gucken dem ganz verzaubert und entspannt zu.

Welchen Stellenwert hat Musik in Ihrer Partnerschaft?

Meine Frau hat keinen so engen Bezug zu Musik wie ich. Die schaltet ’nen 80er-Radiosender ein, wenn sie durch die Stadt fährt. Dann ist sie glücklich. (lacht)

Ich hab mich in testosterongetränkten 2021 Gruppen immer unwohl gefühlt. So ein Verhalten hat für mich nicht viel mit Männlichkeit zu tun.

Tom Schilling
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Schilling rechts mit Robert Stadlober in „Crazy“(2000

Der Film „Crazy“ von 2000 wird immer als Ihr Durchbruch gehandelt. Sehen Sie das auch so?

Doch, das war schon „Crazy“. Eine Weichenstellung, weil mir da so richtig klar wurde: „Das isses! Die Schauspielerei ist eine, meine Option.“ Bis dahin hatte ich Maler werden wollen… Bei dem Film hatte ich auch das Glück zu merken, was es bedeutet, mit wohlwollenden, talentierten Menschen zusammenzuarbeiten. Ich habe damals unglaublich viel gelernt – und einen inneren Kompass entwickelt: ein Bauchgefühl dafür, wo ich hin will und mit wem ich die verschiedenen Reisen unternehmen möchte. Es gibt jedoch auch andere Filme, die mir unglaublich viel bedeuten, die aber kein Mensch gesehen hat. Etwa „Woyzeck“ von 2013.

Sie werden gern als moderner Männertypus gehandelt: der Androgyne, Zarte. Freut Sie das und sehen Sie darin auch eine Art Mission — also mit Stereotypen aufzuräumen?

Ich finde es gut, dass da ein Wandel stattfindet, und hab mich in testosterongetränkten Gruppen auch immer unwohl gefühlt, fremd. So ein Verhalten hat für mich nicht sonderlich viel mit Männlichkeit zu tun. Es ist in der Tat ein schöner Nebeneffekt meiner Arbeit, wenn ich dazu beitragen kann, dass auch andere Facetten zugelassen werden. Und nicht in den immer gleichen Kategorien gedacht und geurteilt wird.

© Heike Niemeier/SuperIllu
Tom Schilling im Gespräch mit SuperIllu-Redakteur Björn Wolfram