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Interview

Max Riemelt: „Ich habe viel zu verarbeiten“

Er ist ein genialer Grenzgänger, überzeugt im Kinderfilm und Pädophilie-Drama gleichermaßen. Wie der Ostberliner mit schweren Rollen umgeht, was ihn mit Hollywoodstar Keanu Reeves verbindet und warum er ein „Akzeptierer“ ist …

Eigentlich sollte Max Riemelts, 37, neuer Film „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ bereits im Februar in den Kinos anlaufen. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie ist das Wort „eigentlich“ ein sehr häufig verwendetes. Das Kinder-Abenteuer wird nun am 17. Juni 2021 starten. Wir sprachen den sympathischen Familienvater.

Herr Riemelt, was bewog Sie, beim Film „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ mit von der Partie zu sein?

Ich habe eine 12-jährige Tochter und finde es toll, wenn sie mal wieder einen Film gucken darf, in dem ich mitwirke. Denn die meisten sind ja explizit für Erwachsene und oft zu heftig für ein Kind. Ich hatte ihr im Vorfeld von dem Angebot erzählt, und sie fand es richtig gut. Die Aktualität des Themas Umweltschutz hatte mich überzeugt – und dass dieses nicht allzu ernst und trocken vermittelt wird. Na ja, und es war natürlich auch nicht übel, auf diese Weise nach Irland zu kommen, wo wir unter anderem gedreht haben! (lacht)

Einer dieser „heftigen Erwachsenenfilme“ ist das Pädophilie-Drama „Kopfplatzen“ mit Ihnen in der Hauptrolle. Hatten Sie Skrupel, die Rolle zu übernehmen?

Der Regisseur und Drehbuchautor Savaş Ceviz ist ein Freund von mir und hatte das Projekt schon recht früh an mich herangetragen. Ich war sehr stark in die ganze Entwicklung eingebunden. Das war ein langer Prozess, und so sehr ich von Anfang an von der Sache überzeugt war, so sehr hatte ich durchaus auch Angst. Wie vermittelt man die Perspektive eines Pädophilen? Aber das Endprodukt und die Reaktionen waren schließlich richtig toll. Ohne das Vertrauen zu Savaş und die ganze Vorgeschichte hätte ich das jedoch nicht geschafft.

Sie spielten da nicht zum ersten Mal einen zerrissenen Menschen, der unter seinen Neigungen leidet…

Ich will einfach immer echte Menschen spielen und keine Klischees bedienen. Und Markus aus „Kopfplatzen“ ist nun mal ein Mensch, der trotz seiner Neigungen versucht, ein normales Leben zu führen. Wir wollten einfach zeigen, wie es sich für so jemanden anfühlt in dieser Isolation und angesichts des Umgangs oder vielmehr Nicht-Umgangs der Gesellschaft mit dem Thema. Mir ist es wichtig, Empathie für meine Figuren zu erzeugen. Jemanden wie Markus als Monster abzutun, dadurch macht man es sich sehr leicht und verweigert die Auseinandersetzung mit dem Thema – und auch mit eigenen dunklen Seiten.

In „Der Schneegänger“ im ZDF nun hatten Sie es mit Kindesmisshandlung zu tun. Können Sie nach solchen Drehs eigentlich abschalten?

Zum Glück schaffe ich es, so was nicht zu nah an mich heranzulassen und immer nur während des eigentlichen Prozesses mit Haut und Haaren involviert zu sein, um eine größtmögliche Glaubwürdigkeit zu erreichen. Nein, also über Dreharbeiten hinaus entsteht da keine große Belastung.

Ihre Figur Lutz sagt an einer Stelle: „Manchmal gibt es keine Gerechtigkeit.“ Sind Sie privat gut darin, Dinge zu akzeptieren?

Akzeptanz ist ein wichtiges Thema – man kann einfach nicht alles im Leben beeinflussen. Ich leide auch gelegentlich unter bestimmten Dingen, aber finde es gar nicht schlecht, auch mal zu hadern. Gerechtigkeit ist ja oft auch nur eine emotionale Sache, gerade, wenn Moral mitschwingt. Vieles ist fragwürdig in der Welt, und es ist wirklich manchmal schwer, an die Menschheit zu glauben. Aber insgesamt kann ich ganz gut akzeptieren, was ist.

Spätestens seit dem Liebesdrama „Freier Fall“ sind Sie eine Art Ikone und Posterboy der Schwulenszene. Schmeichelt Ihnen das?

Ach, für mich sind diese ganzen Kategorien uninteressant. Jeder kann lieben, wen er will. Und ich habe viele schwule Freunde. Natürlich schmeichelt es einem, wenn man Komplimente bekommt – komplett uneitel bin ich nun auch nicht! (lacht) Die Leute sind immer total nett und korrekt, wenn sie mich ansprechen. Und mehr als ein Foto wollen sie auch gemeinhin nicht. Mir ist es auch egal, was eine Rolle imagemäßig zur Folge haben könnte – ob man auf irgendwas festgelegt werden könnte oder so. Für mich ist die Hauptsache, dass der jeweilige Film eine gewisse Tiefe, Aussage und auch Atmosphäre hat, die die Zuschauer mitnimmt. Jenseits von purer Effekthascherei.

Natürlich gibt’s auch bei mir ,Jugendsünden‘: Action- oder Krankenhausserien. Aber auch so was muss man gemacht haben

Max Riemelt

An coolen Effekten mangelt es „Matrix 4“ nicht. Für den Film, der Ende des Jahres ins Kino kommen soll, standen Sie unlängst mit Keanu Reeves vor der Kamera…

Darüber darf ich leider noch nicht wirklich sprechen. Belassen wir es bei der Feststellung, dass wir eine richtig gute Zeit hatten und Keanu ein super Typ ist. (lacht) Das war wirklich eine tolle Erfahrung!

Wie kommt es, dass ich keinen Film von Ihnen kenne, den ich total schlecht finde? Und wie sehen Sie das?

Es gibt tatsächlich nichts, womit ich richtig unglücklich bin. Und man darf ja nicht vergessen, was etwa durch den Schnitt alles noch so passieren kann mit einem Film. Aufs Endprodukt hat man einfach nur bedingt Einfluss. Ich habe letztlich aus jedem Projekt irgendetwas für mich mitnehmen können und hatte auch immer viel Glück mit den Leuten, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Auch in den Drehbüchern konnte ich immer was entdecken, das ich inhaltlich relevant fand. Natürlich gibt’s auch bei mir die berühmten „Jugendsünden“: Action- oder Krankenhausserien. Aber auch so was muss man vielleicht einfach mal gemacht haben. Da geht’s halt um reine Unterhaltung, was ja seine Berechtigung hat – ich stellte jedoch schnell fest, dass das nicht meine Welt ist, allein wegen der Produktionsbedingungen: Man kann sich da mit Stoffen einfach auch nicht so beschäftigen, wie man es möchte.

Was soll denn jetzt karrieretechnisch noch kommen?

Ich lass immer alles auf mich zukommen. Ich habe viel erlebt und jetzt erst mal entsprechend viel zu verarbeiten. Das ist ein wichtiger Prozess, den ich nicht stören will. Wenn alles gut geht – vor allem mit Blick auf Corona –, werde ich im Frühjahr wieder arbeiten.