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© Malte Jaeger | spreewald.de
Schöne Heimat

Spreewaldkahn: Immaterielles Kulturerbe Deutschlands

Die wasserreiche Region im Land Brandenburg zählt zu Deutschlands beliebtesten Ausflugszielen. Erkunden lässt sie sich am besten in einem Kahn, der inzwischen zum immateriellen Kulturerbe gehört.

Sieh, das Gute liegt so nah… Das denke ich, als ich für diese Reportage in den Spreewald fahre. Das südöstlich von Berlin gelegene Biosphärenreservat zieht mich gleich in seinen Bann. Die Fließe, die Ruhe, das Grün… Anlass für den Besuch ist der Spreewaldkahn, ein maximal 9,50m langes und 1,90m breites Fahrzeug, das durch Muskelkraft oder eine Antriebsmaschine fortbewegt wird. Seine kiellose, flache Form ist so einzigartig, dass Bau und Nutzung seit März 2023 zum immateriellen Kulturerbe Deutschlands gehören. 2021 hatte der Spreewaldverein gemeinsam mit Akteuren der Region die Bewerbung beim Brandenburger Kulturministerium eingereicht.

© Petra Schneider-Schmelzer | SuperIllu
Vor allem Privatleute fahren Holzkahn. Diesen mindestens 40 Jahre alten Kahn soll Marcel Müller ausbessern.

Handwerker Marcel Müller

Kahnbau ist kein Lehrberuf. Um einen neuen Kahn, egal aus welchem Material, bauen zu können, muss man das Handwerk wortwörtlich bei jemandem abgucken, sagt Marcel Müller. „Die Form ist die Kunst.“ Er will sich das Handwerk aneignen. Der Spreewälder übernimmt oft zeitintensive Reparaturen, will dazu beitragen, dass Holz nicht ganz vom Alu verdrängt wird.

Tradition der Holzkähne

Im Zuge dessen wurde auch diskutiert, welcher Kahn ein echter Spreewälder sei: nur der aus Holz, entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Einbaum, oder auch jener aus Aluminium. Zur Wahrheit gehört, dass die meisten Touristenkähne aus Alu gefertigt sind. Kahnbauer Thomas Lubkoll baut solche. „Manche meinen, nur Holz sei Tradition. Das ist Quatsch. Metallkähne gibt es seit 1966. Das sind auch bald 60 Jahre.“ Holzkahnbauerin Juliane Koal versteht beide Seiten: „Fährleute müssen davon leben. Nicht nur acht, sondern zwölf Monate. Alukähne liegen ganzjährig im Wasser, Holz braucht viel Pflege. Die Tradition der Holzkähne wird daher eher von Privatleuten aufrecht erhalten.“

© Petra Schneider-Schmelzer | SuperIllu
Thomas Lubkoll baut für einen Fährmann aus Lübben letztmals einen großen Alukahn. Sein Vater Albert stellte in den 60er Jahren auf Metall um. Material gab es zu DDR-Zeiten im Austausch mit Gurken

Gelernter Bootsbauer Thomas Lubkoll

Thomas Lubkoll, gelernter Bootsbauer, baut leidenschaftlich gern Kähne, hört aber trotzdem auf. Nachwuchs, der übernehmen will, fehlt. Bei ihm – aber auch generell. Die Preise für seine Kähne ziehen auf dem Gebrauchtkahnmarkt schon an, sagt er. Der Kahnbau hatte mit Opa Richard begonnen. Der fertigte bis 1973 Kähne aus Holz, Sohn Albert setzte ab 1966 auf den Bau aus Metall. „Ab den 70ern wurden Kähne für den Tourismus immer größer. Das ging, weil es dann Klebstoffe gab, mit denen man aus zwei Brettern eine höhere Bordwand fertigen konnte“, sagt Lubkoll, der auch lange Fährmann war. Holz oder Alu? Holz fährt leiser, Alu ist pflegeleichter, fährt leichter. Beides habe seine Berechtigung, findet er 

Interesse am Spreewaldkahn steigt wieder

Obwohl der Kahn durch den Titel viel Aufmerksamkeit erhalten hat, gibt es überraschend wenig Menschen, die einen bauen können. Nur drei gewerbliche Betriebe fertigen Holzkähne, drei weitere haben sich auf Metall spezialisiert. Wobei Alukahnbauer Lubkoll gerade mit dem Aufhören beginnt. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Beim Spreewaldverein sorgt man sich aber nicht. Melanie Kossatz: „Wir spüren, dass das Interesse am Spreewaldkahn wieder steigt“. 497 Prüfungen zum Führen von Personenkähnen wurden zwischen 2010 und 2021 durchgeführt. 30 Fährorganisationen wetteifern um Touristen, 800 zulassungspflichtige Personenkähne sind auf den Fließen unterwegs. Obenauf kommen 500 nicht angemeldete Kähne von Privatpersonen.

© Petra Schneider-Schmelzer | SuperIllu
Kahnbauer Koal aus Lehde fertigt Kähne nach historischen Schablonen, die noch im Längsmaß Fuß angegeben sind.

Tischlerin Juliane Koal

Mindestens 120 Jahre wächst eine Kiefer bis sie groß genug ist für die Bordwände eines Holzkahns, erzählt Juliane Koal. Die Tischlerin hat mit Vater Karl viele Kähne gefertigt, Seiten zugeschnitten, über Feuer erhitzt, geformt… Schwere Arbeit, die sie nach einem Unfall nicht mehr hauptberuflich machen kann. Sie glaubt, dass sich der Alukahn in Zukunft ganz durchsetzen wird.

Besitzerin eines 40 Jahre alten Holzkahns

Eine von ihnen treffen wir noch. Marcel Müller, Tischler der Vollholzschmiede in Straupitz, nimmt uns mit zu einer Kundin. Die Spreewälderin aus Lübbenau lebt mit Mann und Kindern in Berlin. Doch die Familie fährt fast jedes Wochenende zum Gartenhaus, zu dem ein Liegeplatz für den etwa 40 Jahre alten Holzkahn gehört. Den hatten schon ihre Großeltern gebraucht gekauft. Der Kahn aus Holz braucht dringend ein Update vom Tischler. Dann kann er aufs Wasser. Sie ist voller Vorfreude darauf. Andere Familien machen eine Radtour. Spreewälder fahren Kahn: „Bei uns kann jeder staken.“

Kahntouren & Co.

Lübben

Frühstück oder Abendbrot auf dem Kahn - oder eine Kaffeefahrt mit Blechkuchen: ferienwohnung-faehrmannsruh.de/kahnfarten/

Schlepzig

Kahnfahrt mit Bier- oder Whiskey-Verkostung: spreewaldnachtwaechter.de/Angebot/Whisky-Kahnfahrten.html

Burg

Wellnessfahrt mit dem „Kahn der Sinne“: spreehafen-burg.de/kahnfahrten-burg/sommer/kahn-der-sinne.php/

Lübbenau

Den Kahnführerschein machen: spreewald-haus-kalmus.com/kahnfahrschule/