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So sehe ich das mit der Einheit

„Ostdeutschland hat viele Erfahrungen mit Systemwechsel und Strukturwandel”

Dieses Mal hat Stephanie Auras-Lehmann, 38, aus Finsterwalde in Brandenburg unseren Fragebogen beantwortet. Einen Link zum Fragebogen finden Sie weiter unten im Text

Stephanie Auras-Lehmann, 38, aus Finsterwalde (Brandenburg)

So sehe ich das! Im Jahr 30 der deutschen Einheit möchten wir von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wissen: Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus? Wie haben Sie die Zeit vor der Wiedervereinigung und danach erlebt? Wir freuen uns, wenn Sie unsere Fragen beantworten und zusammen mit Ihren Fotos an uns schicken. Zu Fragebogen und Kontaktadressen kommen Sie, wenn Sie HIER klicken.

Welche Begriffe verbinden Sie mit der DDR?

Trabi, Poliklinik, Zusammenhalt und Selbstversorgung.

Sie gehören zur Generation der Wendekinder, wie blicken Sie auf die Wiedervereinigung?

Ich gehöre zur 3. Generation Ostdeutschland. Ich habe die Möglichkeiten genutzt, die Welt zu entdecken. Erst im Studium und in Westdeutschland habe ich meine Herkunft und Ost-Identität hinterfragt. Als Heimat- und Rückkehrerbotschafterin habe ich Ostdeutschland wieder lieben gelernt. Meine Wurzeln haben mich am Boden gehalten, wenn man mitunter Höhenflüge in der globalisierten Welt hätte bekommen können.

Wie hat die Wende das Leben Ihrer Eltern beeinflusst?

Meine Eltern haben sich immer wieder neu erfunden, waren Produkt- und Versicherungsvertreter, Gewerbetreibende mit Elektro- und Spielwaren auf dem Finsterwalder Markt, Inhaber einer Cocktailbar. Aufgeben war keine Option. Dieses Motto und das ostdeutsche Improvisationstalent wurden uns in die Wiege gelegt.

Fühlen Sie sich ostdeutsch?

Meine ostdeutsche Sozialisation hat mich geprägt. Samstag wird geputzt, ich improvisiere gern, zelebriere Tauschgeschäfte und übe mich in der Balance zwischen ostdeutscher Bescheidenheit und westdeutschem Selbstbewusstsein. Mein Dialekt und mein Herz sind ostdeutsch, mein Leben deutsch, meine Gedanken und mein Handeln europäisch und weltoffen.

Wie wäre Ihr Leben ohne die Wende verlaufen?

Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch zu jeder Zeit, an jedem Ort eine Bestimmung hatte und hat. Zum Glück habe ich ein starkes soziales Umfeld. Mit den richtigen Menschen, mit sorgenden Familienmitgliedern, Nachbarn, Freunden und Kollegen kann man alles schaffen. Man sollte das Leben nehmen, wie es kommt. Warum fragend zurückschauen, wenn man die Zukunft aktiv mitgestalten kann?!

Sprechen Sie in der Familie über Themen wie DDR, Wende und Ostdeutschland?

Sehr viel, schließlich gehört es zu unserer Vergangenheit. An Geburtstagen kramen wir Fotoalben heraus, aus denen sich immer neue Fragen ergeben. Letztes Jahr habe ich meinem fast 90-jährigen Opa das Notizbuch „Opa, erzähl mal…“ geschenkt. Wenn ich bei ihm in Gruhno (kleines Dorf im Landkreis Elbe-Elster) bin, füllen wir seine Biografie aus.

Macht es einen Unterschied, ob man aus Ost- oder Westdeutschland kommt?

Ich wünsche mir so sehr, dass es nach 30 Jahren keinen Unterschied mehr macht. Die Realität sieht anders aus. Ich hoffe, dass meine Enkelkinder in einem wirklich vereinten Deutschland mit gleichen Löhnen, Renten und Bildungssystemen leben werden. Ostdeutschland hat so viele Erfahrungen im Systemwechsel, mit Transformation und Strukturwandel gemacht. Wertvolle Erfahrungen, die wir gemeinsam nutzen sollten.

Gibt es ein Produkt, das Sie mit der DDR, mit Ihrer Kindheit verbinden?

Meine Mama hat im Intershop gearbeitet, mein Papa war Kellner. Ich erinnere mich an den Ge- ruch der Fa-Seife, die sie in den Schrank gelegt hat, weil die Hemden dann gut riechen. Im Vorratsschrank sind immer einige „DDR-Produkte“. Mein Mann liebt Vita-Cola und Knusperflocken. Bei Partys gibt es Rotkäppchen-Sekt und Pfeffi. Die Kids essen Russisch Brot und Oblaten.