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Interview

Wiebke Reed: "Mit Dean war es Himmel und Hölle"

Dean Reeds Ex-Frau redet anlässlich der SUPERillu-DVD „Blutsbrüder“ mit Bärbel Beuchler offen über ihre Ehe

Wie lange haben Sie den Film „Blutsbrüder“ nicht gesehen?

35 Jahre! Dean hat 1973 das Script geschrieben, ich hab‘s übersetzt.

Konnten Sie so gut Englisch?

Ich hatte mir das erst mal nicht zugetraut, aber er hat es mit mir gelesen und viele Szenen vorgespielt. Da dachte ich: Warum nicht? Als wir uns 1971 kennenlernten, konnte ich die Sprache gar nicht. Ich habe sie erst für Dean und dann durch ihn gelernt. Die DEFA mietete für uns eine Suite im Interhotel Potsdam, weil wir noch keine vernünftige Bleibe hatten. Es war meine erste Arbeit als Übersetzerin. Später habe ich als Englisch-Lehrerin an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin gearbeitet. Das half mir, meine Schauspieler-Agentur aufzubauen, die erfolgreich ist und mich glücklich macht. Ich habe auch gedolmetscht, tolle Leute kennengelernt wie die New Yorker Philharmoniker, Santana und Bryan Adams, den ich jetzt gerade wiedergetroffen habe.

Dean hat auch den Titelsong „Love Your Brother, but hate Your Enemies“ geschrieben.

Ja, „Liebe deinen Bruder, aber hasse deine Feinde“. Für ihn gab es nur Liebe oder Hass. Man konnte mit ihm nicht dis­kutieren, um Konflikte zu lösen. Er wollte, dass seine Meinung akzeptiert wird.

Worauf gründete sich das?

Er hatte die Welt gesehen, sich in vielen Ländern nach oben gekämpft, gespielt und gesungen. Er war überzeugt: Das, was er sagt, ist unumstößlich. Er konnte auch so viel, traute sich so viel zu. Er sagte eben: Ich schreibe jetzt ein Drehbuch, und das konnte letztlich verfilmt werden. Bei den nächsten Filmen „Sing, Cowboy, sing“ und „El Cantor“ hat er nicht nur die Hauptrolle gespielt und das Buch geschrieben, sondern auch Regie geführt. Sicher, wenn man alles macht, bleibt etwas auf der Strecke. Aber er wurde akzeptiert.   

Wie kam das Team mit ihm klar?

Ich weiß, dass es bei den Dreharbeiten für „Sing, Cowboy, sing“ ganz schöne Konflikte mit Kameramann Hans Heinrich gab. Dean meinte, er käme ja aus Hollywood und wüsste alles besser. Er hat aber nie in Hollywood gedreht. Er hätte es gern. 1961 ging er nach Südamerika, machte als Pop-Sänger Karriere, engagierte sich politisch. 1966 siedelte er mit seiner damaligen Frau Patricia nach Rom über und hat dort in etlichen zweitklassigen Italo-Western mitgespielt. Bekannt wurde „Adiós, Sabata“ mit Yul Brunner.

Wissen Sie was darüber?

Es war nicht einfach. Wenn sie zusammen spielten, musste Dean im Graben laufen, weil Yul kleiner war. Dean war natürlich sauer. Und politisch haben sie sich gestritten. Dean war Verfechter des Sozialismus. Er hatte in Südamerika so viel Armut erlebt.

Was faszinierte Sie an ihm?

Alles. In den sieben Jahren, die wir miteinander lebten, bin ich mental sehr reich geworden, habe durch ihn etwas von den Zusammenhängen in der Welt begriffen.  

Dean wirkte immer sehr jungenhaft. War er so?

Absolut. An seinem 34. Geburtstag hatte uns ein DEFA-Kollege eingeladen. Er wohnte an einem See. Mitten in der Nacht wollte Dean mit dem Motorboot raus. Ich werde diese Nacht nie vergessen. Er sagte mir zum ersten Mal, dass er mich liebt und ließ sich plötzlich rückwärts aus dem Boot fallen. So verrückt war er.

In „Blutsbrüder“ ist Dean und nicht Gojko Mitic die Hauptfigur. Wie war ihr Verhältnis?

Sie waren sich nicht grün. Das wusste jeder. Dean war eifersüchtig auf Gojkos Popularität. Diese Eifersucht auf andere war sein großes Problem. 1973, wir waren gerade verheiratet, besuchte uns Inge, eine befreundete Journalistin. Wir saßen im Garten und sie schwärmte von einem Künstler, den sie getroffen hatte. Dean kroch immer mehr in sich zusammen. Ich brachte Inge zum Tor. Als ich zurückkam, hatte er sich an einer zerbrochenen Fensterscheibe die Handgelenke aufgeschnitten. Ich war außer mir. Und die Ärztin in der Notaufnahme sagte mir, ich solle aufpassen. Er würde sich noch öfter verletzen ...

So kam es ja auch. Nach seinem Selbstmord 1986 stellte man etliche Schnittnarben an seinen Unterarmen fest.

Ich lernte mit der Zeit, wie ich mit ihm umgehen muss, um ihn nicht zu solchen Reaktionen zu provozieren. Eine Krisensituation gab es noch mal bei den Dreharbeiten zu „Kit & Co.“. Unbewusst heraufbeschworen. Alle saßen zusammen, wir kamen etwas später. Keiner nahm Notiz von uns. Dean fühlte sich brüskiert und sagte: „Während ihr hier feiert, sterben meine Freunde in Chile.“ Jemand machte eine dumme Bemerkung. Dean drehte sich um und ging. Draußen sagte er zu mir: Wenn du jetzt nicht hier wärst, würde ich mir das Leben nehmen. Ich war wie gelähmt.

War er so labil?

Ja. Er glaubte, dass er keine Schwäche hätte, weil er so viele Menschen überzeugen konnte, so viel Gutes getan hat. In Verhältnissen, in denen nicht Harmonie herrschte, konnte Dean schlecht leben. Er konnte mit Kritik und Widerspruch nicht umgehen. Für ihn war das Wichtigste, geliebt und angenommen zu werden, im Mittelpunkt zu stehen.

Haben Sie darunter gelitten?

Sehr. Er ließ sich von mir nichts sagen, keinen Ratschlag geben. Wenn ich sein Deutsch verbesserte, fuhr er mich an: You are not my teacher, you are my wife! Du bist nicht mein Lehrer, du bist meine Frau. Um des lieben Friedens willen habe ich mich immer mehr zurückgenommen.  

Das passt nicht zu dem Bild, das man von ihm als Friedenskämpfer hat. Oder war er kein Kämpfer?

Doch. Er hätte sein Leben für die politische Sache gegeben. Als im Südlibanon die Kugeln um ihn herumflogen, wäre er glücklich gewesen, für die Sache der Palästinenser zu sterben. Er hat in Chile „Venceremos“ gesungen, als es verboten war. Ich habe zu ihm gesagt: Du bist ein wandelnder Widerspruch. Das hat ihn amüsiert, und er hat ein Gedicht daraus gemacht.

Haben Sie herausbekommen, wo die Ursachen dafür lagen, dass er so sensibel war?

Ich habe es auf seine Kindheit zurückgeführt. Er war nicht wie sein großer Bruder. Sein Vater lehnte ihn ab, hielt ihn für einen Versager. Deshalb schrieb sich Dean an der Uni ein, um ihm zu zeigen: Ich schaffe es auch. Später hat er ihm aus aller Welt Zeitungsausschnitte geschickt. Sein Vater sollte sehen, wie berühmt er ist. Unter seinen Sachen fand man neben seinem Abschiedsbrief den Abschiedsbrief seines Vaters, der auch Selbstmord begangen hatte.

Was wissen Sie von Deans Tod?

Dean hatte sein Auto an der Wasserrettungsstelle am Zeuthener See abgestellt. Vielleicht hoffte er, dass man ihn rettet. Er hatte viele Beruhigungstabletten genommen und Alkohol getrunken - was er sonst nie getan hatte.