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© M. Handelmann/SUPERillu
Thüringer Wald

Ein Sommer-Wochenende am Rennsteig

Er ist der älteste und meistbegangene Weitwanderweg Deutschlands – einmal im Leben muss man den Pfaden des Rennsteigs gefolgt sein. Begleiten Sie unsere Autoren Michael Schoepperl und Michael Handelmann heute in die Region rund ums thüringische Eisenach

Geheimnisvoller Rennsteig: dunkle Wälder, weite Täler und eine enge Schlucht, in der man dem Ruf der Drachen folgt...

Eine Runst ist das eine. Wandern das andere. Feststeht: Der Rennsteig hat seine eigenen Gesetze. Und keiner kennt diese besser als Lutz Hähner, Vize-Vorsteher vom Rennsteigverein 1896 e.V. Der erklärt uns dann auch, dass die Mitglieder des Vereins vor über 100 Jahren aus dem Verb „rennen“ das Substantiv „Runst“ bildeten, und damit eine Rennsteigwanderung nach traditionellen Regeln gemeint ist.

Der Rennsteigweg: von Hörschel bis nach Blankenstein

Wäre es nach Lutz gegangen, wir wären die rund 170 Kilometer von Hörschel nach Blankenstein komplett durchgewandert. Und bei dem Tempo, das der Thüringer Landeswegewart vorzulegen imstande ist, hätte es wohl auch nicht die obligatorischen fünf bis sechs Tage gedauert. Sondern eher drei oder vier. Unabhängig davon, ob Kollege Handelmann und ich unterwegs entkräftet die Grätsche gemacht hätten – es wäre auf alle Fälle im Ansatz eine „klassische Runst“ geworden.

Warum? Zum einen, weil Lutz Hähner uns geführt hätte und nur dann, im Schulterschluss mit dem Rennsteigverein, so eine Tour als „Runst“ gilt (alles andere ist triviales Wandern!). Zum anderen, weil auch die Richtung gestimmt hätte: In ungeraden Jahren wird nämlich ausschließlich von Hörschel nach Blankenstein „gerunst“, und erst 2016 ist dann wieder die Gegenrichtung angezeigt.

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Typisch für den Rennsteig: Immer wieder schließen sich die (Fichten-)Wälder dicht um einen und spärlich wird das Licht, das den Waldboden erreicht

"Rennsteig Light": In zwei Etappen bis zum Großen Inselberg

„Gut Runst!“, Sie merken es, will also gelernt sein! Dass uns Fußblasen, Wadenverhärtungen und diverse Eisbäder in Schutzhütten erspart blieben, ist schließlich dem Titel dieser Serie – „Ein Wochenende in ...“ gedankt: Und auch Sie, liebe Leser, erwartet hier und heute nur ein „Rennsteig-Light“ – aus den ersten zwei Etappen bis zum Großen Inselsberg und ein Bummeltag dazwischen in Eisenach.

Der feine Unterschied zwischen „Runst“ und Wanderung zeigt sich übrigens schon am Startpunkt Hörschel. Mag sein, dass die meisten noch einen Stein aus der Werra mitnehmen, um ihn am Ende der Tour in alter Tradition in die Selbitz zu werfen. Aber andere Rituale erlebt man dann doch nur im Gefolge des Rennsteigvereins. Als da wären: ins Wasser getauchte Wanderwimpel, Runstgesänge („Gut Runst! O lebe fort auf edle Art, du herrlich schöne, du schöne Rennsteigfahrt ...“), Geschichtliches über Grenzsteine und Rennsteig-Mythen und auch so mancher, mit heimatlichem Liedgut gewürzte (Herbert Roth lässt grüßen!) Hüttenabend. (Wer so was mal live erleben will: Anmeldung via http://www.rennsteigverein.de/runst.htm).

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Viele alte Wanderstiefel, aber nur ein Weg: Und der führt von hier, dem kleinen Ort Hörschel, über nahezu 170 Kilometer den Rennsteig entlang bis an die Selbitz und nach Blankenstein

Erste Etappe des Rennsteigs

Die erste Etappe, 14,3 Kilometer von Hörschel zum Rastplatz „Hohe Sonne“, hat's jedenfalls schon mal in sich. Heißt, es geht teilweise stramm bergauf. Rechnet man Tag zwei, also bis Inselsberg dazu, sind's mal eben 1200 Höhenmeter, die es zu überwinden gilt. Gut, dass Lutz Hähner weitgehend das Reden übernimmt, während sich vor uns mal dunkle Fichtenwälder, mal idyllische Feldraine auftun und wir den herrlichen Blick vom Großen Eichelberg zur Wartburg als willkommene Verschnaufpause nutzen.

Ich räume ein, mir im folgenden nicht jede Anekdote von „Wanderkaiser“ Lutz (den Titel hat er sich mit jährlich über 1 800 Thüringer Wanderkilometern redlich verdient) in Sachen Grenzstein hier, Napoleon-Kreuzung da notiert zu haben. Kann Ihnen aber versichern, dass Sie am Etappenziel, der 434 Meter hoch gelegenen „Hohe Sonne“ das Hähnersche Rennsteig-Grundrauschen bereits nachhaltig in sich spüren werden.

Auf Kurs nach Eisenach

Keine Ahnung, ob Lutz es als „Runst-Flucht“ interpretiert hat. Fakt ist: Wir sind bei „Hohe Sonne“ abgebogen. Ohne ihn. Kurs Eisenach. Und das war, nicht nur, weil es hier launig bergab geht, eine gute Entscheidung. Denn jener Pfad führt mitten rein in die herrliche Drachenschlucht, die auf keinem Wanderausflug rund um die Wartburg-Gemeinde oder entlang des Rennsteigs fehlen sollte. Ist das vorgelagerte Annatal noch eher weit geschnitten, verengt sich urplötzlich die Schlucht. Die Wände steigen, teilweise nur eine Armbreite voneinander entfernt, steil an. Das Gelände wandelt sich mit seinen bemoosten Felsreliefs und seinem allgegenwärtigen Bachgemurmel zu einer wildromantischen Klamm, in der man dann teilweise im Gänsemarsch unterwegs ist (3 km, ca. 1 Std.).

Am Ende der Schlucht kann man an der Haltestelle Mariental auf den Bus umsteigen, der einen nach Eisenach bringt. Oder man hat durch die Schönheit der Natur urplötzlich „die zweite Luft“ in der Lunge und eine neue Leichtigkeit im Bein. Dann empfehlen wir als Zugabe den Weg nach Eisenach über die Sängerwiese und später rund um die mächtig ins Land ragende Wartburg hinein in die Stadt.

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Die engste Passage der Drachenschlucht ist durchquert. Die Reporter Schoepperl und Handelmann (l.) gönnen sich ein Päuschen

Grün fürs Auge, Bach aufs Ohr und eine Landpartie im offenen Wartburg

Wartburg. Die Tausendjährige. UNESCO-Welterbe. Deutschlands berühmteste Burg. Dort zu entdecken: Martin Luthers berühmte Schreibstube (hier übersetzte er das Neue Testament); der opulente „Sängersaal“ zu Walther von der Vogelweides mittelalterlichem Sängerwettstreit; die Geschichte der Heiligen Elisabeth; die DNA zu Wagner's „Tannhäuser“; die Zeit der großen Burschenschaftstreffen.

Überhaupt glänzt der Ort als Fixpunkt deutscher Geschichte, wie es kaum noch einen zweiten gibt (Führungen etc. via www.wartburg.de). Der Wartburg zu Füßen öffnet sich der Blick auf die Stadt: mit grünen Wohlfühlinseln wie etwa rund um die Sophienhöhe; mit Villenvierteln, zumeist fein restauriert; mit atemberaubenden Sichtachsen wie der vom Panoramaweg (nahe Burschenschaftsdenkmal).

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Die Wartburg ist ein Sehnsuchtsort deutscher Geschichte, berühmt unter anderem wegen der Stube, in der Luther das Neue Testament übersetzte

Nächstes Ziel: Eisenach

Eisenach. Das ist Johann Sebastian Bachs Geburtsstadt. Mit dem weltweit größten Museum zu Ehren des Komponisten, das mit Livekonzerten auf historischen Instrumenten (stündlich) oder „begehbaren“ und damit unmittelbar erlebbaren Musikstücken lockt (Infos, auch zur Sonderausstellung „Bach in Berlin“, bis 8.11. via www.bachhaus.de). Das Lutherhaus wird gerade aufgehübscht (Neustart 26.9.), die Arbeiten an der Georgenkirche sind hingegen abgeschlossen.

Das Thüringer Museum im Stadtschloss (dort sitzt auch die Tourist-Info!), die stark erweiterte Ausstellung „Automobile Welt Eisenach“ (Friedrich-Naumann-Str. 10), die den Bogen vom Uralt-Wartburg bis zum modernen Opel schlägt, lohnen einen Besuch.

Restaurant Tipp Eisenach: Gasthof Am Storchenturm

Den Abend schön ausklingen lassen sollten Sie im Gasthof „Am Storchenturm“ bei thüringischer Küche, den wunderbaren Geschichten von Wirt-Urgestein Peter Arends und einer Vorführung in seinem kleinen, aber feinen Mini-Theater.

Das beste Eis in Eisenach: Manufaktur

Unser Tipp: Wer sich nach getaner Wanderung in Eisenach mit einem üppigen Eisbecher belohnen will, findet sein Paradies in der „Manufaktur“, direkt am Markt.

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Egal, in welcher Rolle: Cornelia Hartleb ist eine profunde Kennerin der Eisenacher Stadtgeschichte und eine charmante Führerin obendrein

Ein Herz für alte Stühle, ein Händchen für Selbstgebrautes

Doch uns hat's ja am Tage drei schon wieder rausgezogen auf den Rennsteig. Wo wir uns mit einem lieben Bekannten verabredet hatten. Mario Hirt, den regelmäßige Leser dieser Serie schon als unseren Lotsen vom Ilmtal-Radweg kennen und der über seine Eisenacher Firma „Travel Butler“ auch in dieser Gegend etliches an Bike- & Wandertour-Arrangements vorhält. Da auch Mario ein Kenner der Region ist, hat er uns auf den rund 20 Kilometern bis Grenzwiese/Inselsberg so manches zeigen können.

Sehenswertes rund um den Rennsteig: Ruhla, Winterstein, Friedrichsroda

Die weiten Blicke nahe Wilhelmsthal Richtung Rhön etwa; den schönen Picknickplatz an der Schutzhütte nahe Ruhla; Ruhla selbst, wo bis heute das Uhrmacher-Handwerk den Takt vorgibt; die Falknerei „Greifenwarte“ in Winterstein; den „Funpark“ am Kleinen Inselsberg, wo Gondelflugzeuge und eine Sommerrodelbahn viel Kurzweil versprechen. Und nicht zuletzt den netten Abstecher nach Friedrichroda, wo Thomas Schack nicht nur Bier für seine Gaststätte „Brauhaus“ herstellt, sondern auch ein Hotel mit angeschlossenem (Kloß-)Theater betreibt: „Liebe auf den ersten Kloß“ heißt folglich auch das Stück. Thüringische Küche gibt's vornweg. Und statt „Gut Runst!“ heißt's hier dann auch wieder ganz vertraut: „Gute Unterhaltung und guten Appetit!“

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Thomas Schack, Gastronom, Hotelier, Bierbrauer und jetzt auch Theaterbesitzer in Friedrichroda: Es gibt also allerlei Gründe, bei ihm reinzuschauen

Restaurant am Rennsteig: Berggasthof „Tanzbuche“

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Der Rennsteig ist nur ein paar Hundert Meter entfernt, der Berggasthof „Tanzbuche“

Der Rennsteig ist nur ein paar Hundert Meter entfernt, der Berggasthof (mit Hotel/43 Zimmer) „Tanzbuche“ liegt 702 Meter hoch und die Küche ist heimatlich-rustikal. Restaurantleiterin Bettina Schömann serviert uns einen leckeren Wildschweinbraten mit Rosenkohl und Klößen. Auf dem Höhenberg, Friedrichroda.

Hotel Eisenach: Übernachten im „Glockenhof“

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Altes Fachwerk, moderner Hotelanbau: Der „Glockenhof“ in Eisenach

Altes Fachwerk, moderner Hotelanbau: Im „Glockenhof“ in Eisenach findet beides stimmig zusammen. DZ ab 99 Euro, gutes Restaurant, schöner Weingarten, zentrumsnah.