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© U. Toelle/SUPERillu
Thomas Schmidt

„Ich war der kleine Muck"

Vom Kinderstar zum Mediziner: 1953 spielte Thomas Schmidt, elf Jahre alt, die Hauptrolle im Kult-Märchenfilm. Bis zu seinem Tod 2008 war er Professor in Hannover. Ein Gespräch mit Bärbel Beuchler

Herr Schmidt, nach über 50 Jahren ist „Die Geschichte vom kleinen Muck“ immer noch ein Lieblingsfilm der Kinder ...

… Der Witz ist, dass der „Kleine Muck“ ja eigentlich nur ein Lückenfüller war.

Wieso das denn?

Mit dem Budget und in dem Atelier des Babelsberger Studios sollte ursprünglich Brechts „Mutter Courage“ verfilmt werden. Aber Brecht hat das Projekt boykottiert. Daraufhin hat man Wolfgang Staudte - der war ja der Starregisseur damals - gebeten, den „kleinen Muck“ zu verfilmen.

Hatten Sie Lampenfieber?

Überhaupt nicht. Es war einfach nur Spiel. Und hatte den großen Vorteil, dass ich nicht in die Schule musste. Ich wurde jeden Tag mit dem Auto zu Hause abgeholt und zum Set gefahren.

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Thomas Schmidt als "der kleine Muck" im DEFA-Klassiker von 1953

Ihre Mutter war Schauspielerin, Ihr Stiefvater hat das Drehbuch geschrieben. Da lag es ja nahe, dass Sie die Hauptrolle bekommen ...

So nahe lag das gar nicht. Niemand konnte sich vorstellen, dass ein Kind diese schwere Rolle spielen kann. Die haben mit circa 40 Schauspielern Probeaufnahmen gemacht. Sogar meine Mutter war für die Rolle im Gespräch.

Eine Frau als kleiner Junge?

Na ja, sie wusste im Grunde, dass sie für die Rolle nicht geeignet war. Und in ihrer mütterlichen Klugheit dachte sie wohl: Der Thomas kann das bestimmt spielen. Deshalb hat sie mich mitgenommen, als sie für die Probeaufnahmen dran war. In einer Drehpause hat sie mir einfach den Turban aufgesetzt, und da wurde Staudte auf mich aufmerksam. Sie hatten schon so viele Probeaufnahmen gemacht, da kam’s auf die eine mit mir auch nicht mehr an. Das war an meinem elften Geburtstag.

Was für Erinnerungen haben Sie an die Dreharbeiten?

Für mich war das Gelände in Babelsberg einfach ein riesengroßer Abenteuerspielplatz. Diese arabischen Bauten erschienen mir so unglaublich hoch und beeindruckend. Das Interessanteste waren aber die Drehpausen. Da war ich immer bei den Kulissenbauern hinter der Bühne und hab mit denen gehämmert. Und dann waren ja auch viele andere Kinder da. Und die Elefanten und Löwen vom Zirkus Busch. Es war einfach großartig.

Was für Erinnerungen haben Sie an Wolfgang Staudte?

Nur gute. Ich glaube, er hat mich nicht anders geführt als die anderen Schauspieler, aber alles, was er von mir wollte, war für mich nachvollziehbar. Nur einmal war er unzufrieden mit mir. Da gab es Tränen. Ich glaube, ihn hat gestört, dass ich den Eindruck erweckt habe, ich nehme die Sache nicht so richtig ernst. Als ich geweint habe, hat er mich in sein Zimmer geholt, mit mir darüber gesprochen und mich getröstet. Damit war die Sache erledigt.

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Der Drehbuchautor Peter Podehl

Wie hoch war Ihre Gage damals?

Ich persönlich habe keinen Pfennig gekriegt. Es gab wohl einen Vertrag mit meiner Mutter. Meine Eltern kauften ein Auto für die Familie, und ich glaube, sie haben die Gage mit verwendet. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätten einen der Affen gekauft, die im Film vorkommen. 

Haben Sie heute was davon, wenn der Film aufgeführt wird?

Finanziell gar nicht. Ich habe die Ehre, in einem Film mitgespielt zu haben, der 50 Jahre danach immer noch so geliebt wird. Das ist ein wunderschönes Geschenk. Inzwischen läuft der „Kleine Muck“ in über 60 Ländern. Letzten Sommer habe ich Briefe von Kindern in Namibia bekommen, die den Film gesehen und ins Herz geschlossen haben. 

1955 ist Ihre Familie in den Westen gegangen. Warum?

Es gab eine Begebenheit, die meinem Vater gezeigt hat, dass es in der DDR keine Freiheit mehr geben wird: Er sollte das Drehbuch zum „Tapferen Schneiderlein“ schreiben und wurde vor ein Gremium beordert, von dem die DEFA politisch kontrolliert wurde. Da wollte man ihn zwingen, das „Schneiderlein“ anzulegen wie Wilhelm Pieck, der ja ein Mann aus dem Volk war und Präsident der DDR wurde. Das Schneiderlein sollte nicht die Prinzessin heiraten, sondern ein Mädchen aus dem Volke. Mein Vater kam nach Hause und sagte: Hier können wir nicht bleiben. Dann sind wir nach München gegangen.

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Die Familie: Mit Hazel vor dem Haus in Hannover-Langenhagen. Beide sind seit 1971 verheiratet, haben drei erwachsene Söhne und zwei Enkel

Konnten Sie dort auch wieder als Schauspieler tätig werden?

Ja, ab und zu gab’s eine kleinere Rolle für mich.

All das hätte der Beginn einer echten Filmkarriere sein können ...

Das hat mich nie wirklich gereizt. Sowohl mein leiblicher Vater als auch mein Großvater waren Ärzte, und in diese Fußstapfen wollte ich treten. Ich habe später umfangreiche Forschungen in Sachen Präventivmedizin angestellt. In dem Zusammenhang bin ich auch darauf gekommen, das tägliche Spülen der Nase mit Salzwasser ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.

Und dafür haben Sie die Chance auf eine Filmkarriere sausen lassen? Irgendwie hört sich das an wie beim „kleinen Muck“: Das Glück anderen schenken und nicht so sehr an sich selber denken ...

Da erwischen Sie mich an einem sensiblen Punkt. Ein Freund hat das auch mal so formuliert. Das kommt vielleicht nicht von ungefähr. Aber ich bin doch einfach nur meinen Interessen nachgegangen: Als Arzt anderen Menschen zu helfen.