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Star–Interview

Karel Gott: So fand der Sänger sein Glück

Karel Gott ist der Star unserer neuen DVD „Teuflisches Glück“. Bärbel Beuchler sprach mit ihm über Karriere, Familie und Gott und die Welt

Es ist heißer Tag, als wir bei Karel Gott vor dem Tor stehen. Eine riesige Konifere hinter dem Zaun spendet Schatten. Nad Bertramkou 18 im Pager Stadtteil Smíchov ist eine Sackgasse. Die schlichten Villen hier liegen auf einem Hügel. Der Sänger bittet den Fotografen Boris Trenkel und mich ins Haus. Seine Frau Ivana ist mit den beiden Töchtern, der sechsjährigen Nelly und der achtjährigen Charlotta, am Gehen. Ein freundliches „Dobri den“ und „Na skledanou“ , dann sind sie weg.

Von der kleinen Diele geht es ins Wohnzimmer der Familie, zugleich Arbeitsraum für den Sänger. Mit Stilmöbeln eingerichtet, aber nicht protzig. „Ich habe mein Arbeitszimmer für die Kinder geräumt“, sagt er und lächelt. Das Haus sei eigentlich nicht für eine Familie geeignet, erzählt er später auf dem Weg in die Stadt, wo wir an der Moldau Fotos machen werden. Aber verkaufen, nein, das will er nicht. Neue Häuser sind viel zu teuer. 

 „Möchten Sie Kaffee,Tee, Wasser?“  Karel Gott ist ein perfekter Gastgeber. Und das, obwohl ihn seit Tagen Journalisten mit Interviews „nerven“. Die „Goldene Stimme von Prag“ ist am 14. Juli 75 Jahre alt geworden und hat eine Autobiografie vorgelegt: „Karel Gott Zwischen zwei Welten“. Und unser Anlass ist zudem seine Rolle als Luzifer in der DVD„Teuflisches Glück“, die mit der aktuellen SUPERillu am 7. August (Heft 33/14) erscheint. 

Unser Gespräch beginnt in der Küche, mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Dann gehen wir auf die Terrasse. Prag liegt uns zu Füßen. Wie auf einem Silbertablett breitet sich die Stadt hinter dem Fluss vor uns aus. Vor 40 Jahren hat Karel Gott das Haus für sich und seine Eltern gekauft. In Smíchov ist er seit seiner Jugend zu Hause.

Früher war das ein Arbeiter- und Industrieviertel mit Textilfabriken, Brauereien und einem Eisenbahnwagonwerk, in dem später die berühmten Tatrabahnen gebaut wurden.  Im Straßenbahnwerk CKD hat Karel Gott Elektromonteuer gelernt.  Es wurde abgerissen. Auf dem Platz steht heute die Prager O2-Arena, in der er einige Konzerte gegeben hat.  „So bin ich nach der Wende zu meinen Wurzeln zurückgekehrt“, erzählt er.  Es entspinnt ein einstündiges, sehr offenes Gespräch, das natürlich mit Fragen zur DVD beginnt.

Warum liegt Ihnen die Rolle als Luzifer in dem zweiteiligen Märchenfilm „Teuflisches Glück“ so am Herzen?

Seit der Kindheit ist die Schauspielerei meine stille Sehnsucht. Ich habe einige Filme gedreht, spielte aber immer Sänger. Regisseur Zdeněk Troška gab mir 2001 nun eine Rolle, die endlich mal nichts mit mir zu tun hatte.

Erinnern Sie sich noch an die Dreharbeiteten?

Wir haben im September gedreht. Die Filmdekoration war die Ruine der Kirche bei Tachov. Wenn sie beleuchtet war, sah das wirklich höllisch aus. Wir drehten acht Nächte bei Null Grad. Regisseur Zdenek Troska meinte damals: „So viele frierende Teufel habe ich noch nie gesehen!“ Gleich in der ersten Nacht kamen zwei deutsche Reisebusse zum Set und meine Fans fotografierten mich im Teufelskostüm, bevor sie mich um ein Autogramm baten. Ich bedankte mich mit einem Ständchen. In der nächsten Nacht kamen  fünf Busse, und die Polizei musste den Verkehr regeln. Der Drehort wurde zum wahren Volksfest. Geschäftstüchtige Verkäufer verkauften Goldbroiler und Glühwein.

Luzifer ist ein Teufel mit Herz …

Deshalb hat mir die Rolle gefallen. Luzifer ist zwar streng zu den Teufeln in der Hölle, aber er ist sympathisch. Und als er das Baby entdeckt, zeigt er sich sogar wie ein liebender Vater.

Was Ihnen privat sehr nahe ist.  Sie haben vier Töchter. 

Ja. Dominika und Lucie sind bereits erwachsen. Wir haben uns erst kennengelernt, als sie junge Mädchen waren. Das war mit den Müttern so abgemacht. Ich habe aber immer für sie gesorgt, denn ich liebe meine Töchter alle. Lucie hat mich schon zweimal zum Großvater gemacht. Dominka lebt mit ihrem Freund, einem Heavy-Metal-Musiker, in Helsinki. Sie ist nach dieser Musik schon immer ganz verrückt gewesen. Für meine hat sie nicht soviel übrig. 

Ihre beiden jüngsten Töchter haben den Papa jeden Tag für sich. Wie läuft es da ab?

Sie haben alle Freiheit, ihre Talente auszuprobieren: Tanz, Musik, Malen. Mir ist aber auch wichtig, dass sie verstehen, so ein gutes Leben ist nicht selbstverständlich. Ich bin Kriegsgeneration. Meine Eltern haben im Krieg alles verloren.

In Ihrer Autobiografie „Zwischen zwei Welten“ beschreiben Sie Ihr Leben. Wo beginnt es?

In Prag. Ohne diese Stadt hätte ich nie mit der Musik angefangen. Mit Freunden habe ich während meiner Lehrzeit als Elektromonteur Platten gehört – Westmusik, die es bei uns in den 50ern nicht gab. Ich steckte mein ganzes Geld da rein. Es war Freude und gleichzeitig Investition. Die Musik war in mir. Ich habe immer gesungen.

Wer brachte Ihnen bei, Ihrer Stimme Seele zu geben?

Mein Lehrer am Konservatorium war der russische Tenor Konstantin Karenin, ein alter Charmeur. Er brachte mir nicht nur die Kunst des Belcanto bei, sondern tolerierte auch meine Pop-Ambitionen. Karenin war ein alter Charmeur. Man hat gespürt, dass er in seiner Zeit ein Gentleman war. Mit 70 hat er bei seiner Schülerin, als sie mit dem Studium fertig war, um ihre Hand angehalten. Er starb auf einer Bank im Park mit einem Buch in der Hand und einem Lächeln um den Mund. So glücklich war er. 

Ihre Karriere begann eigentlich schon 1960, als die tschechische Jazzlegende Karel Krautgartner Sie als Sänger in seine Band holte. Obwohl Sie damals bei einem Talentwettbewerb durchgefallen waren. 

Direkt danach sprach mich Karel Krautgartner an. „Mach dir nichts draus, Junge“, sagte er. „Wichtig ist, dass es dem Publikum gefallen hat. Das ist das Entscheidende. Wenn du mit uns singen willst, komm zu unserer Jamsession.“ Seine Worte waren Musik in meinen Ohren. Es war für mich unglaublich aufregend, mit diesen berühmten Profis zu arbeiten. 

Sie gaben damals Ihren Beruf als Elektromonteur bei CKD auf. 

Die Arbeit in der Fabrik und die Auftritte waren nicht mehr unter einen Hut zu bekommen. Außerdem hatte ich eine zusätzlich Motivation, die mit der Musik und den bescheidenen Gagen nicht viel zu tun hatte: Ich hatte meine ersten weiblichen Fans! Für einen Zwanzigjährigen war es der Traum schlechthin, von schönen Frauen verliebt angeguckt zu werden. Es hat meine Seele gestreichelt. Ich hatte viele Freundinnen, oft mehrere gleichzeitig. Als Fabrikarbeiter lagen einem die Mädchen nicht wirklich zu Füßen. Deshalb habe ich bei meinen Dates als Lehrling auch immer geflunkert und mich als Schauspieler ausgegeben. 

Warum haben Sie sich nie wirklich festgelegt, bis Sie Ihre jetzige Frau Ivana trafen? 

Das hat mit meinem Lebensgefühl zu tun. Ich denke immer, das Beste kommt noch. Ich brauchte die ständige Verliebtheit, um etwas zu kreieren. Manch eine hat bei mir gefrühstückt, aber nie bekam eine einen Haustürschlüssel. Ivana war die erste. Wir haben uns aber auch sieben Jahre Zeit gelassen, bis ich ihr 2008  in Las Vegas einen Heiratsantrag gemacht habe. Die Trauzeugen haben wir uns im Hotel gesucht. Zwei Kellner im Anzug. 

Woher nehmen Sie nun als Vater und Ehemann Ihre Inspiration?

Ich bin kreativ durch die Freude der Kinder, die morgens am Bett stehen, fröhlich sind und sagen: ‚Vati, Schlafmütze, aufstehen!‘ Oder mir ihre Errungenschaften zeigen. Zeichnungen, ein neues Kleid … Das ist eine Herausforderung, die mich glücklich macht.

Kommen wir noch mal auf Las Vegas zurück. 1967 hatten Sie dort Ihr erstes Auslandsengagement. Sie wurden als der  „erste Künstler from behind the Iron Curtain“ präsentiert - als erster Kommunist auf einer Bühne in Las Vegas.  

So wurde ich dort verkauft. Man hatte alles schon mal in Las Vegas, aber jemanden aus dem „Reich des Bösen“ als lebendes, singendes Ausstellungsobjekt noch nie. Mein Protest, dass ich nie Kommunist gewesen bin, wurde weggewischt. Das sei Showbusiness. Las Vegas war in jeder Hinsicht eine harte Schule. Man brachte mir bei, die Bühne a priori als Sieger zu betreten. Das erleichterte mir dann den Start im Westen. Die Konkurrenz war groß. Aber was ich mir nicht angenomen habe, ist die Arroganz amerikanischer Künstler. Ich bin keiner, der sich hinter Bodyguards versteckt, der sein Publikum beschimpft oder einfach stehen lässt, wie ich es bei Judy Garland erlebt habe. Ich bin ein Romantiker, der allein spazieren geht, in die Sterne guckt und sich von schönen Frauen inspirieren lässt. Die Menschen dürfen mich berühren.

Seit 55 Jahren treten Sie in Ost und West auf. Man warf Ihnen nach der Wende Privilegien vor.

Ja. Viele haben Steine geworfen. Das ist aber eine so oberflächliche, dumme Sicht. Jeder, der in dem System gearbeitet hat, wurde vom System bezahlt. Der Vertrag mit der westdeutschen Plattenfirma Polydor gab mir Freiheit, für die der Staat Devisen kassierte.