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© Susanne Pälmer
BSG entscheidet über Intelligenzrente

Sieg für Intelligenzrentner: Bundessozialgericht stärkt DDR-Zusatzversorgung

Das Bundessozialgericht in Kassel hat die Leere-Hüllen-Argumentation zur Intelligenzrente gekippt

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hatte in den letzten Jahren vielen DDR-Rentnern die Zusatzversorgung der technischen Intelligenzrente mit einer schwer nachvollziehbaren Begründung gestrichen. Zu Unrecht, wie jetzt das Bundessozialgericht in Kassel entschieden hat. „Die eingefrorenen Renten müssen jetzt wieder freigegeben werden“, sagte der Dresdner Fachanwalt für Sozialrecht Matthias Herberg zu SUPERillu.

Rückblick: Es ist das Gefühl der Ungerechtigkeit, das Günter K. so wütend macht. Dabei ist der agile Rentner ein fröhlicher Mensch. Über sein Rentenverfahren kann er sich aber richtig aufregen. Grund genug hat er, denn erst wurde ihm die Zusatzrente für die technische Intelligenz (150 Euro monatlich) bewilligt, nach knapp zehn Jahren aber mit einer komplizierten Begründung wieder gestrichen. „Das kann eigentlich nicht sein“, schimpft der Ingenieur.

Der Hintergrund

Neben der Grundrente gab es in der DDR bekanntlich die Möglichkeit, seine Altersversorgung über die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) aufzubessern. Für Ärzte, Lehrer, Techniker und andere Vertreter der Intelligenz existierten aber noch weitere Sonder- und Zusatzversorgungssysteme. Und um diese ging es jetzt vor Gericht. Eigentlich galten die Renten-Ansprüche aus diesen Sondersystemen nach der Wende genauso weiter wie die Ansprüche aus der  FZR. Wer davon profitieren wollte, musste nur seine „Versorgungsurkunde“ aus DDR-Zeiten vorlegen.

1998 sollten sogar noch mehr DDR-Rentner in den Genuss einer Intelligenz-Sonderrente kommen. Das Bundessozialgericht entschied damals nämlich, dass auch Mitglieder der technischen Intelligenz, die keine solche „Versorgungsurkunde“ besäßen, Anspruch hätten. Begründung: Zur DDR-Zeit seien diese Urkunden oft „politisch motiviert“ vergeben worden.

Das habe das Gericht mit dem Urteil ausgleichen wollen, erläutert der Leipziger Rentenberater Frank Parche. Auch Günter K. beantragte nach dem Urteil 1999 die Zusatzrente. Als ehemaliger Ingenieur des VEB Chemie- und Tankanlagenbau Fürstenwalde erfüllte er die Voraussetzungen ohne Probleme, bekam die Zusatzrente auch sofort bewilligt.

Aber als er 2009 einen Überprüfungsantrag in einer anderen Sache stellte, teilte man ihm mit, dass ihm die Zusatzrente gar nicht mehr zustehe. Sein Betrieb sei nämlich zum Stichtag, dem 30. Juni 1990, das war der Tag vor der Wirtschafts- und Währungsunion, faktisch gar nicht existent gewesen. Sondern nur noch eine „leere Hülle“.

Der Rechtsstreit

„Die Idee der leeren Hülle ist auf ein Urteil des Landessozialgerichts Thüringen vom 29. Januar 2007 zurückzuführen“, sagt der Dresdner Fachanwalt für Sozialrecht, Matthias Herberg. Dahinter verstecke sich folgende Argumentation: Voraussetzung für die Intelligenzrente ist, dass die Antragsteller zum Stichtag (30.6.1990) in einem volkseigenen Betrieb (VEB) gearbeitet haben.

Da sich aber die meisten VEB zu dieser Zeit bereits in eine GmbH umgewandelt haben, sei das Betriebsvermögen schon auf das neue rechtliche Konstrukt übertragen worden. Nach der merkwürdigen Logik der Sozialgerichte und der Rentenversicherung hätten die noch existierenden VEB gar nicht mehr gewirtschaftet. Die Mitarbeiter hätten somit in einer „leeren Hülle“ gearbeitet.

Nicht nur Günter K. findet diese Argumentation haarsträubend: „Da wurde doch bloß der Firmenname geändert, von einem VEB auf eine GmbH. Wir haben ganz normal nahtlos weiterproduziert und Gehalt bekommen. Das war doch keine leere Hülle.“

Der Tag der Entscheidung

Klar ist: Bis 2003 hatten insgesamt 260000 ostdeutsche Techniker Anträge auf Zusatzrente gestellt, bei rund 70 Prozent wurden sie genehmigt. Wie vielen die Rente jetzt wieder entzogen wurde, darüber gibt es keine offiziellen Zahlen.

Fakt ist: Allein beim Sozialgericht Dresden sind rund 300 Verfahren anhängig, so Experte Herberg. Zehn Verfahren lagen beim Bundessozialgericht, das am 15. Juni darüber entschieden hat. Es ging um viel Geld. Vor allem für die klammen ostdeutschen Landesregierungen, die zwei Drittel der Sonderrenten tragen.

Alleine dem Freistaat Sachsen zum Beispiel kostet das rund 700 Millionen Euro im Jahr. Da liege der Schluss nahe, meint Experte Parche, „dass es sich bei dieser Geschichte um so eine Art Rückruf-Aktion handelt.“