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© M. Handelmann | SUPERillu
Mecklenburg-Vorpommern

Ein Sommer-Wochenende an der Peene

Die Stille nahezu unberührter Natur, die einzigartigen Flusslandschaften entlang der Peene. Eine Paddeltour durch Vorpommern...

"Amazonas des Nordens" wird die Peene manchmal auch genannt, und das kommt nicht von ungefähr: Es ist selten, dass in Deutschland ein Fluss in so viel unberührte Natur eingebettet wird wie die 96 Kilometer lange Peene in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Kanutour oder Kajaktour entlang der Peene verspricht also echtes Abenteuer – und von Biber bis zur Rotbauchunke jede Menge Tierbegegnungen. Doch auch die Menschen und Geschichten entlang des Flusses sind eine Reise wert – unsere Tipps für ein Sommer-Wochenende an der Peene.

Die Weite der Natur, ein Leben am Fluss & der schönste Laden im Lande

Keine Staustufe, kein Wehr hemmt unsere Fahrt von Loitz nach Anklam. Naturbelassen, unverbaut bahnt sie sich ihren Weg. Und tut dies so gemächlich – das mittlere Gefälle der Peene liegt bei 24 Zentimetern –, dass sie bei Ostwind auch gern mal in Gegenrichtung unterwegs ist. Doch egal, ob sie einen gerade flussab- oder -aufwärts durchs schöne Vorpommern schiebt – die Peene bleibt aus jedem Blickwinkel ein Paradies für Wasserwanderer.

© J. Noack | Abenteuer Flusslandschaft
Ist in der naturbelassenen Peene-Region heimisch geworden: der stolze Seeadler.

Vom Kummerower See bis nach Anklam

Der Fluss erstreckt sich über 85 Kilometer vom Kummerower See in der Mecklenburgischen Schweiz östlich bis rüber nach Anklam. Wo er sich fächerförmig in den Peenestrom ergießt, um schließlich der Ostsee zuzustreben. Diese so ursprüngliche Gegend, die den heutigen Naturpark Flusslandschaft Peenetal prägt, ist mit 200 Quadratkilometern auch eines der größten zusammenhängenden Niedermoorgebiete Mitteleuropas. Davon erzählen die rund 400 den Strom immer wieder verzweigenden Torfstiche ebenso wie all die Flachwasserseen, die malerisch vor sich hin dümpelnden Altarme oder die ausgedehnten Röhrichte und Bruchwälder.

Eine überaus reizvolle Komposition von Mutter Natur, die der Region auch den charmanten Beinamen „Amazonas des Nordens“ eingebracht hat (alle Infos zur Region: www.vorpommern.de). Hier fühlt sich die Rotbauchunke genau so wohl wie der Fischotter und der Biber. Kein Wunder, dass hier alle drei in Mecklenburg heimischen Adlerarten munter brüten. Und allzu viele weitere Orte, wo man selten gewordene Tiere wie den Stelzenläufer oder die Weißbartseeschwalbe antrifft, gibt's hierzulande leider auch nicht mehr.

Ein Besuch in Loitz an der Peene

Es ist noch ein wenig Zeit, bis Carsten Enke, der Chef des in Anklam heimischen Unternehmens „Abenteuer Flusslandschaft“ unseren Canadier hierhergeshuttelt haben wird. Also bummeln wir ein bisschen durch Loitz. Und wollen Sie sich, liebe Leser, von den Einheimischen gleich zu Beginn ein beseeltes Extra-Lächeln sichern, dann sprechen sie den Ortsnamen mit langem „Ö“, also „Löötz“ aus. Was finden wir? Mittelalterliche Stadtmauern, die Marienkirche. Ein gutes Restaurant im längst stillgelegten Bahnhof. Schön gelegen, am Kopfende einer kleinen Marina, wo Wasserwanderer rasten und sich Hausboote u. a. für Angeltouren in diese außergewöhnlich fischreichen Gewässer buchen lassen. Und bei „Anni“, gleich nebenan, gibt's den randvollen Pott Kaffee auch 2016 noch für einen fairen Euro.

In einem ehemaligen Getreidespeicher stoßen wir auf die Loitzer Hafendestillerie & Brauerei. Wo eine sympathische Truppe um Bert Mattausch seit einiger Zeit an speziellen Bieren, Likören und Whisky-Produkten tüftelt, denen Auszüge aus heimischem Peenetorf zugeführt werden. Keine „Schnapsidee“, denn die Loitzer „Torfkopp“-Getränke erhalten so „ihr ganz unverwechselbares, besonders erdiges Aroma“, wie uns Mattausch versichert. Fürs „Probetrinken“ ist's uns noch zu früh am Morgen, zudem steht Enkes Canadier nun startklar an der Marina ...

Tipp: Kanu mieten an der Peene

Carsten Enkes „Liebesaffäre“ mit dem Peenetal geht in Kurzform etwa so: Bootsbaumeister sucht bezahlbare Werft. Findet diese schließlich 2000 in Anklam. Verguckt sich mächtig in die Weite und Ruhe der Landschaft. An der Werftstraße 6 entstehen so peu à peu seine Kanustation, sein Flusscafé. Inzwischen zählt der 49-Jährige „über 80 Boote, entlang der Peene verteilt“. Er verleiht, berät, steht aber auch selbst als kundiger „Guide“ auf dem Gewässer bereit (siehe: www.abenteuer-flusslandschaft.de). „Hier dürfen die Ufer noch wild wachsen“, sagt Enke. Und mit seinen weit über ein Dutzend Meter in die Erde reichenden Torfschichten schützt sich der Fluss hier quasi höchstselbst - vor etwaigen „Nachstellungen“ durch Menschen. „Hier auf festen Grund zu kommen, um ufernah zu bauen, käme einfach viel, viel zu teuer“, freut sich der Naturbursche.

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Heute erfolgreicher Bootstouristiker, seit jeher talentierter Bootsbauer: Carsten Enke (l.), Chef von „Abenteuer Flusslandschaft“.

Erste Tagesetappe: von Loitz bis Liepen

Loitz, Flusskilometer 43. Jetzt geht's los. Wir gehen die 46 Kilometer bis zu Carstens Station in zwei Tagesetappen an. Ziel heute, nach rund 29 Kilometern des Flusspaddelns, soll Liepen sein. Genauer gesagt: das herrliche Hotel & Restaurant Am Peenetal, wo Stefan Wollert, begnadeter Kochkünstler und unternehmerischer Tausendsassa, zu Hause ist. Bis dahin lassen wir uns treiben. Jede Biegung hält ein neues Landschaftspanorama bereit: Enge Torfstiche (nicht reinpaddeln, das ist verboten!) wechseln sich mit weiten Auenwäldern ab.

Alle paar Kilometer locken schöne Wasserrastplätze. Und jeder hat seinen ganz eigenen Charme. In Sophienhof (Flusskilometer 47) sorgt für diesen nicht zuletzt Ulrike Steins zauberhafter kleiner „Dorfladen“. Wo Hofhund Meggie müde unter Sonnenblumen döst und die Regale, u. a. gefüllt mit „Sophienhofer Apfelsaft“, mit Käse, Wurst und Pastasoßen, auf hungrige Paddler warten. Vier Kilometer weiter ist es dann Hafenmeister Stefan Sinnecker (r. u.), der mit seinen launigen „Geschichten vom Fluss“ dafür sorgt, dass einem auch Alt Plestlin in angenehmster Erinnerung bleibt.

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Rund 4 000 Wasserwanderer docken in der Hochsaison bei Stefan Sinnecker an. Der fidele Sachse ist Hafenmeister in Alt Plestlin.

Übernachten und essen entlang der Peene: Gutshof Liepen

An Jarmen und Gützkow vorbei, erreichen wir am Abend Stefan Wollerts weitläufige Hotelanlage in Liepen. Wir waren dabei, als das Projekt 2009 an den Start ging. Seither ist viel passiert: Schwimmbad. Wellness- und Saunalandschaft. Ein Hofladen mit regionalen Spezialitäten. Die Küche des Hauses seit Jahren verlässlich gut. Bodenständig wie beim „Peeneburger“, raffiniert wie beim „Damwildrücken im Brotteig“ (das pommersche Wild dafür grast übrigens ums Eck auf eigenen Weideflächen).

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Den höchstgelegenen Blick ins Peenetal und über die alte Stadt liefert der Ausguck vom 53 Meter hohen Turm der Nikolaikirche in Anklam. 233 Stufen sind’s, doch all die Mühe lohnt!

Zweite Tagesetappe: Von Liepen über Stolpe bis Anklam

Ausgeruht starten wir am nächsten Morgen zur Schlussetappe. Empfehlen hierbei einen längeren Stopp in Stolpe, um die historischen Gemäuer, die das einstige Klosterdorf formen, bestaunen zu können. Auch hier bieten sich Feinschmeckern wie Freunden von „Schöner Wohnen“ zwei Anlaufpunkte: einerseits der auf eine mehr als 300-jährige Geschichte zurückblickende „Stolper Fährkrug“ und des Weiteren das „Gutshaus Stolpe“ (o. r. mit Chefin Annamarie Klostermann), das als edles Hotel samt Sternerestaurant glänzt.

Gutshof Liepen

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Packt, wo es sein muss, auch selbst mit an: Stefan Wollert (o.), Chef im Gutshof Liepen, dem Hotel Am Peenetal (35 Zi., 4 FW), Tel.: 039721 /5 67 58, www.gutshof-liepen.de

Anklam und Otto Lilienthal

In Anklam schließlich, dessen mittelalterliches Erbe bis heute die Stadtsilhouette bestimmt, lohnt eine geführte Tour. Das 32 Meter hohe Steintor, wo das Stadtmuseum von der Geschichte der Region und der Hansezeit erzählt. Die Kirchen St. Marien und Nikolai. In letzterer, Taufkirche von Otto Lilienthal, befindet sich das „Ikareum“, ein Museumsprojekt zu Ehren des Anklamer Flugpioniers. 

Restauranttipp entlang der Peene:Wirtshaus „Stolper Fährkrug“

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Ein gemütliches Wirtshaus mit über 300-jähriger Geschichte. Eine tolle Terrasse mit Peeneblick. Serviert wird deftige pommersche Genussküche – wie die „Stolper Wildfrikadelle“ (9,50 Euro), die uns Brigitte Heidemann, Chefin im „Stolper Fährkrug“ heute serviert. Tgl. ab 11.30 Uhr. Peenstraße 33, 17391 Stolpe, Tel.: 039721/5 22 25.

Nicht verpassen: Das Theater Anklam

Für das ganz besondere Kulturerlebnis in der Stadt steht seit Jahrzehnten das Theater Anklam, Stammhaus der Vorpommerschen Landesbühne. Sommers tourt die Truppe um Deutschlands einst dienstältesten Intendanten Wolfgang Bordel (seit 1983 bis 2018!) mit 215 Vorstellungen durch die Seebäder Usedoms.

Ein Höhepunkt in Anklam ist das heimische Theaterspektakel „Peene brennt“ an den Ufern des Flusses. „Kultur muss wie ein Virus sein“, sagt Bordel, „sie muss so viele wie möglich anstecken“. Tut sie. Da sprechen 80 000 Theaterbesucher pro Jahr eine deutliche Sprache. 2018 gab Bordel die Intendanz ab, aber Anklam und das schöne Peenetal werden ihm immer Heimat bleiben ...