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© M. Handelmann/SUPERillu
Zwischen zwei Freistaaten

Ein Sommer-Wochenende in der Thüringer Rhön

Sanfte Höhenzüge, weite Blicke: Folgen Sie unseren Reportern Michael Schoepperl und Michael Handelmann in die Thüringische Rhön, ein Geheimtipp im Reigen der deutschen Mittelgebirge

Der stille Hochrhöner, wo man Äste knacken und Vögel zwitschern hört

Der überzeugendste Rasenmäher der Region hat vier Beine, Wolle auf den Hüften und einen pechschwarzen Schädel. Und würden sie öfter mal das Schnäuzchen aus den saftigen Bergwiesen heben – die Rhönschafe würden wohl ebenso wie wir über die beeindruckenden Fernsichten der Thüringer Rhön staunen.

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Die kleinen Dörfer im Umfeld der Vorderen Rhön, wie hier der Ort Glattbach inmitten des schönen Feldatals, bezaubern mit beeindruckender, liebevoll sanierter Fachwerkarchitektur

Eine kleine Anhöhe, unweit von Kaltenwestheim. Es ist sommerlich schwül. Und Berry hat echt gut zu tun. Denn kaum liebäugelt der drahtige Hütehund mit einer kleinen Siesta, schallt Herrchens Ruf markerschütternd über die sanfte Hanglage: „Berry, bleib in der Furche !“ Also wetzt der treue Berry wieder los, fegt in atemberaubendem Tempo an der Schafherde vorbei und hält die Tiere so im Karree zusammen.

Als „genügsam und bestens mit dem rauen Rhönklima zurechtkommend“ beschreibt Arnd Schilling seine für die Region so typischen Tiere. Und seinen Job als Schäfer als „schönste Möglichkeit, in und mit der Natur zu leben.“

Die Thüringische Röhn: Idyllisch, ruhig und fernab des Massentourismus

Es ist gar nicht so lange her, da musste man suchen, um solch stattliche Herden zu finden. Doch inzwischen grasen wieder mehrere Tausend der „Schwarzschädel“ auf Bergwiesen und Kalkmagerrasen. Als hübscher Blickfang für Touristen und als „Landschaftspfleger“ einer ganzen Region. Wie sich überhaupt diese etwas abseits liegende Ecke der Rhön – der Massentourismus bricht sich eher rund um die hessische Wasserkuppe oder ums bayerische Bad Kissingen Bahn – erst peu à peu ihrer Reize und Stärken zu vergewissern scheint.

„Idyllische Landschaft in ruhiger Lage.“ Was anderswo oft nur noch dem Wunschdenken findiger Marketingstrategen entspricht - hier, von Dermbach bis runter zum Dreiländereck rund um den 813 Meter hohen Ellenbogen, hat der Satz noch seine Berechtigung.

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Ein Leben in freier Natur: Von April bis in den Dezember hinein streift Arnd Schilling mit seinen rund 600 Rhönschafen durch die Bergwiesenwelt der Vorderen Rhön

Hotels und Ferienwohnungen in der Thüringer Röhn

In Bernshausen, einem 120-Seelen-Dorf etwas östlich von Dermbach, lassen wir heute unseren Ausflug beginnen. Dass der kleine Ort weiß Gott nicht als verschlafen gelten kann, liegt an den Heidingers. In sechster Generation kurbelt die sympathische, hoch engagierte Familie den ländlichen Tourismus an. Zwei feine Landhotels, Ferienwohnungen, ausgezeichnete Gastronomie. Dazu ihre Stockborn Ranch am Ortsausgang, von der aus herrliche (geführte) Ausritte ins Pleßtal, zur Badestelle am nahen Schönsee oder zur markanten Stoffelskuppe möglich sind (alle Infos via www.gruene-kutte.de).

Ein Wohlfühlort in familiärer Atmosphäre. „Die Vorderrhön hat eben noch dieses Ursprüngliche“, schwärmt Juniorchefin Mandy Heidinger: ausgedehnte, offene Hochflächen inmitten eines Mosaiks aus Laubwäldern, landwirtschaftlichen Flächen, stillen Dörfern und kleinen Gewässern wie der Felda oder der nahen Bernshäuser Kutte, einem Angelparadies und zudem einem der tiefsten Einsturzseen Deutschlands.

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45 Meter tief, fünf Hektar groß und bei Anglern sehr beliebt: die Bernshäuser Kutte. Wer dem Hochrhöner folgt, streift diesen schönen See

Unterwegs auf dem Premium Wanderweg Hochröhner

Es ist eine Gegend, die man sich erwandern muss. Einer der schönsten Pfade, der durch diese Region führt, ist der mit einem gelborangen Ö gekennzeichnete Hochrhöner. Ein insgesamt 180 Kilometer langer Premium-Wanderweg, der das thüringische Bad Salzungen mit dem bayerischen Bad Kissingen verbindet. Ein Stück des Wegs, nämlich die knapp 40 Kilometer von Bernbach bis Kaltensundheim, haben wir uns ein bisschen genauer angesehen. An der Bernshäuser Kutte vorbei sind wir einem knackigen Anstieg folgend aufs und übers 578 Meter hohe „Horn“ gewandert.

In Wiesenthal haben wir uns mit Berthold Vogt verabredet, Chef des Dermbacher Hotels „Sächsischer Hof“. Er ist gebürtiger Hessen-Rhöner. Einer, der augenzwinkernd sagt, dass er „1990 die Flucht in die entgegengesetzte Richtung angetreten hat“, längst aber zum glühenden Fan der Thüringer Rhön geworden ist, durch die er seine Gäste auch gern persönlich und kundig lotst.

Restaurant Tipp Thüringer Röhn: „Sächsischer Hof“ in Dermbach

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Dennis Friedrich, der Küchenchef des Rhönhotels „Sächsischer Hof“, pflegt die gutbürgerliche Küche und bevorzugt regionale Produkte. Auch die Bachforelle Müllerin-Art mit Schwenkkartoffeln und Salatteller zog ihre letzte Bahn in der Rhön. Mi. - Sa. ab 17, So. ab 11.30 Uhr, Bahnhofstraße 2, 36466 Dermbach, Tel.: 036964/83 11 11,

Durch die Wiesenthaler Schweiz

Wir streifen durch einen Landstrich, den sie hier die „Wiesenthaler Schweiz“ nennen, genießen die Fernsichten zum Nebelberg, wandern an zahlreichen von Orchideen und der rhöntypischen Silberdistel gesäumten Wiesen vorbei – mitten hinein in den Ibengarten. Wo die Namen gebenden, bis zu 600 Jahre alten Eiben von noch mächtigeren Buchen überschattet werden. Wo man, wie es Vogt auf den Punkt bringt, „allein ist mit Vogelgezwitscher und Astknacken“.

Ein paar steile Anstiege warten, aber dafür ist's hier angenehm schattig. Immer wieder erzählen Schautafeln vom Leben des „Rhönpaulus“, einer Art Robin Hood der Region. Einem 1780 hingerichteten Räuber, der laut Sage den Armen gab, was er den Reichen nahm, und der hier, in einer Höhle, sein Versteck hatte. Aus dem Wald heraus erreichen wir schließlich Glattbach, wo sich die Felda durch ein weites Tal schlängelt. Ein Bach, dessen Forellenreichtum 1931 sogar einen weltgewandten Angler wie Ernest Hemingway fasziniert haben soll und wo über einem plötzlich der seltene Rotmilan seine Bahnen zieht und die Sonne warme Schatten auf die Fachwerkpracht des kleinen Ortes wirft.

Nächster Halt: Dermbach 

Allein schon von seiner Größe her so was wie die „Hauptstadt“ der Vorderen Rhön: Schlossanlage, prächtige Kirchen, Heimatmuseum. Ein Ort, an dem einer, der auf der ganzen Welt unterwegs ist, ein Stück „echter Heimat“ gefunden hat: Dr. Hans Aschenbach, Amerikaner mit fränkischen Wurzeln. Ein Dirigent, der sein Handwerk u. a. bei Leonard Bernstein lernte. Weltweit gefeierter Tenor. Orchesterchef.

Ein geschätzter musikalischer Weltenbummler, ob in Washington oder Weimar. Seit zehn Jahren ist sein Dreh- und Angelpunkt Dermbach, „ein Ort, wo ich gebraucht werde“. Wo er in der Arbeit mit Orchestern und Chören mithelfen will, einen „stabilen kulturellen Raum“ aufzubauen. Legendär seine Komposition und Inszenierung des Dermbach-Musicals „Rhönpaulus“, das leider erst wieder 2018 auf dem Spielplan steht.

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Picknick mit Fernblick auf dem 670 Meter hohen Gipfel des Gläserbergs: Wanderführer Berthold Vogt (r.) und SUPERillu-Autor Michael Schoepperl

Gläserberg: Der schönste Ausblick in der Thüringer Röhn

Über die Dermbacher Klippen sind wir später auf den Gipfel des 670 Meter hohen Gläserbergs gewandert. Wo das Team des Rhönklubs die Dermbacher Hütte betreibt. Ein Aufstieg, der mit einem tollen Rundumblick bis nach Nordhessen und zum Rennsteig belohnt wird.

Etwas südlicher, bei Andenhausen, muss man sich entscheiden, ob man der Kuppenrhön ins Hessische folgt oder - wie wir – der Langen Rhön zum Südwestzipfel Thüringens. Immer wieder bieten sich Abstecher an: nach Zella etwa, wo nicht nur eine historische Propstei mit schönem Kräutergarten und eine imposante Barockkirche auf einen warten, sondern auch ein Informationszentrum des Biosphärenreservats Rhön (tägl. 10-18 Uhr).

Übernachten: Röhn Hotel „Zur Grünen Kutte“

„Zur Grünen Kutte“ heißt das schöne Landhotel, in dem Sie u. a. Gundi und Mandy Heidinger willkommen heißen. Hauptstr. 9, 36457 Bernshausen. 

Empfertshausen: Holzschnitzer und Bierbrauer

Unweit davon lohnt ein Spaziergang durch das „Holzschnitzerdorf“ Empfertshausen, wo sich neben privaten Werkstätten und Ateliers auch die einzige Schnitzschule Ostdeutschlands findet. Wie die Schnitzerei reicht auch die Kunst des Bierbrauens ins 19. Jahrhundert zurück.

In Kaltennordheim brauen sie seit 1875 im Familienbetrieb ihr legendäres Rhönbier, vom klassischen Pils bis zum kernigen Doppelbock, der hier als „Black Revival“ ins Glas fließt. Eine Führung durch die Rhönbrauerei Dittmar ist ein Muss. Und ein süffig-schönes Finale einer Thüringer Rhön-Wandertour obendrein.