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Claus Ruhe Madsen

Von Dänen lernen

Der Unternehmer Claus Ruhe Madsen aus Rostock ist deutschlandweit der einzige Ausländer an der Spitze einer Industrie- und Handelskammer. Er will seine nordische Mentalität in die Arbeit einbringen

Mitte der 90er-Jahre ist Claus Ruhe Madsen (41) mit einem Koffer nach Deutschland gekommen und hat als junger Mann in einem skandinavischen Möbelhaus in Essen als Verkäufer angefangen. Heute führt der gebürtige Däne die Möbelhauskette Wikinger - und steht zudem seit April des vergangenen Jahres als Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Rostock vor. Deutschland, sagt Madsen, habe ihm durch seine ausgeprägte Willkommenskultur die Chance eröffnet, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen.

Herr Madsen, Sie sind Däne und Präsident der Industrie- und Handelskammer in Rostock. Wie kommt's?

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag ist schon gescherzt worden, ich sei die gelebte Integration. Ein bisschen stimmt das auch. Inzwischen lebe ich fast 20 Jahre in Deutschland, habe ein Unternehmen aufgebaut und bin jetzt sogar IHK-Präsident. Ich mag das Land. Die Deutschen zeichnen sich durch ihre hohe Willkommenskultur aus. Mir ist hier noch nie ein Stein in den Weg gelegt worden. Nur deshalb konnte ich auch das erreichen, was ich erreicht habe.

Willkommenskultur? In Ostdeutschland sitzt die NPD in vielen Land- und Kreistagen.

Sie ist aber eine Minderheit. Die überwiegende Mehrheit der Deutschen duldet keinen Rechtsradikalismus und Rassismus und geht dagegen auf die Straßen. Leider wird das von der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Deutschland ist wirklich ein sehr tolerantes Land.

Warum haben Sie als IHK-Präsident kandidiert?

Ich bin gefragt worden, ob ich für das Amt zur Verfügung stehe. Nur wenn man sich einbringt, kann man etwas bewegen. Das ist Motivation genug. Als Präsident kann ich die Gesellschaft besser mit- gestalten.

Was wollen Sie ändern? Die Dänen gelten als liberal ...

Ich habe nicht von ändern, sondern von mitgestalten gesprochen. Aber natürlich werde ich meine dänische Mentalität in das Amt mit einbringen.

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Claus Ruhe Madsen (l.) und Thilo Boss bei Wikinger in Rostock  

Die da wäre?

Dänemark zeichnet sich durch seine hohe Transparenz aus. Dort kann sich jeder Einwohner im Detail erkundigen, was ein Politiker oder Wirtschaftsrepräsentant verdient und wofür Ministerien und Institutionen Geld ausgeben. Diese Kultur finde ich vorbildlich und nachahmenswert. Dänen sind zudem für ihre spitze Zunge und ihren Humor bekannt. Das macht die Zusammenarbeit in der Regel entspannter. Ich glaube, dass dies auch bei uns während des Alltagsgeschäfts in der Kammer bereits zu spüren ist.

Eine höhere Transparenz ist also die große Herausforderung, vor der Sie stehen? Warum?

Nein, dies habe ich mit Bezug auf die Frage nach der dänischen Mentalität so beschrieben. Ich möchte den Kammerbezirk vor allem mit Blick auf die demografische Entwicklung fit für die Zukunft machen. Noch freuen wir uns, wenn die Arbeitslosenquote sinkt. In wenigen Jahren werden wir uns freuen, wenn wir qualifizierte Fachkräfte ersetzen können. Schon heute spüren wir bei forschungsorientierten Unternehmen Investitionszurückhaltungen, weil sie Angst davor haben, dass sie bei uns nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte finden. Das ist die große Herausforderung.

Wie wollen Sie gegensteuern?

Selbst wenn wir jeden Jugendlichen qualifizieren, reicht das nicht aus, um den Bedarf zu decken. Deswegen brauchen wir Zuwanderung. Wir können Jugendlichen aus Südeuropa, wo eine sehr hohe Arbeitslosigkeit herrscht, bei uns eine Perspektive bieten. Aber dann müssen wir uns auch um sie kümmern. Um sicherzustellen, dass Programme wie MobiPro nachhaltig Erfolg haben, brauchen Jugendliche aus dem Ausland bestmögliche Bedingungen - ebenso wie Auszubildende, die von hier kommen: in Schulen, bei Bildungsträgern und in Betrieben.

Spüren Sie in Ihrer Firma schon den Fachkräftemangel?

Es ist immer schwer, gute Fachkräfte zu finden. Mitarbeiter sind gerade im Handel die einzige Waffe. Sie müssen auf Kunden eingehen können.

Ihr Unternehmen heißt Wikinger Möbel. Die Nordmänner waren blutrünstig, ...

... aber auch Entdecker und Händler. Der Name ist positiv besetzt. Wir verkaufen skandinavische Möbel und haben den Wahlspruch: Weil es besser ist, wenn es hält. Der Slogan passt zu dem Namen Wikinger.

Sie sind bereits mit fünf Filialen in Ostdeutschland vertreten. Wollen Sie jetzt bundesweit expandieren?

Nein. Attraktive Standorte sind rar. In Westdeutschland gibt es bereits viele skandinavische Möbelhäuser. Der Markt ist längst gesättigt. Aber in Ostdeutschland sehe ich noch weiße Flecken. Vor allem Leipzig ist für uns als neuer Standort sehr interessant.